: Abschieben in der Euro-Union
Ein Portugiese, der 27 Jahre in Hamburg lebte, darf nicht wieder einreisen, obwohl er hier mit einer Deutschen verheiratet ist ■ Von Elke Spanner
Ein ganzes Leben zählt weniger als ein Stück Papier. EU-BürgerInnen haben zwar mehr Rechte als AusländerInnen aus sogenannten Drittstaaten, doch auch die enden dort, wo jemand sich nicht wie erwünscht benimmt. Und das hat Paulo S. nicht getan. Nach 27 von 30 Lebensjahren in Hamburg darf der Portugiese nicht mehr hier leben.
Seinen ersten Fehler hat Paulo S. selbst nicht einmal bemerkt. Als er 17 Jahre alt war, ging seine Familie für einige Monate nach Portugal zurück. Dadurch verlor er seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nichtsahnend suchte er nach der Rückkehr die Ausländerbehörde auf und wurde umgehend in Abschiebehaft genommen. Denn inzwischen hatte er weitere Fehler begangen: Paulo S. konsumierte Drogen, die er sich auch durch Beschaffungskriminalität finanzierte. Mehrere Verurteilungen stempelten ihn zum Straftäter und für die Ausländerbehörde zur unerwünschten Person.
Da hilft auch die EU-Mitgliedschaft nicht weiter. Das Recht auf persönliche Freizügigkeit in der Euro-Union hat sowieso nur, wer selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Anders als AusländerInnen aus sogenannten Drittländern sind EU-BürgerInnen mit Deutschen auf dem Arbeitsmarkt zwar gleichberechtigt. Für sie gelten keine Restriktionen, etwa, daß sie eine Stelle nur bekommen können, wenn kein Deutscher auf der Matte steht. Doch ohne Job gilt auch für sie das Ausländergesetz, und das bedeutet: Nach drei Monaten ist Schluß.
Haben EU-BürgerInnen allerdings eine Aufenthaltserlaubnis, ist diese sicherer als bei sonstigen AusländerInnen. Wer sich fünf Jahre gut führt, fällt außerdem unter das „Europäische Fürsorgeabkommen“und muß auch dann nicht seine Zelte in Hamburg abbrechen, wenn er seinen Job verliert. Anders sieht es aus bei Menschen aus der EU, die wegen „schwerwiegender Strafdelikte“verurteilt wurden – wie Paulo S.
Bei ihnen „überwiegen öffentliche Belange die individuellen Interessen“erklärt Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal. Selbst daß Paulo S. in Hamburg mit einer Deutschen verheiratet ist und mit ihr hier zusammenleben will, spielt keine Rolle. Er könne ja mit seiner Frau Sabine auch in Portugal leben, hielt die Ausländerbehörde entgegen – wohlwissend, daß seine Frau HIV-infiziert und an Hepatitis erkrankt ist und wegen der kontinuierlichen medizinischen Versorgung in Hamburg leben muß.
Schon viermal wurde S. abgeschoben. Seit einem halben Jahr ist er nun in Portugal. „Er muß endlich die Möglichkeit bekommen, legal einreisen und hier leben zu können“, mahnt sein Anwalt Roland Weber. Er hat beantragt, daß die Einreisesperre befristet wird. Vergeblich. Erst im Jahr 2001, so habe die Ausländerbehörde signalisiert, soll sie erneut geprüft werden.
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