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Stimmung wie auf der sinkenden Titanic

Der Konkurs der Investmentbank Peregrine löst in Hongkong Panik bei Börsenmaklern und Anlegern aus. Auch die Deutsche Bank ist eine Gläubigerin. Hongkong will die Dollarbindung seiner Währung beibehalten  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – „Im pazifischen Raum wird in der nächsten Dekade mehr Wohlstand geschaffen werden als zu irgendeiner anderen Zeit.“ Noch gestern zierte dieses Zitat aus dem Wirtschaftsmagazin Forbes vom letzten Februar die Internetwebseite des Hongkonger Finanzhauses Peregrine. Doch schon Stunden zuvor hatte die größte unabhängige Investmentbank Asiens Konkurs angemeldet. Über 300 verärgerte Anleger bedrängten darauf die Firmenzentrale in der Hongkonger Innenstadt. Dabei kam es zu teilweise chaotischen Szenen. Die 1.700 Mitarbeiter zählende Investmentbank soll mit 720 Millionen Mark verschuldet sein. Schon am Freitag war Peregrine nach Berichten Hongkonger Medien bei Geschäften in New York zahlungsunfähig.

Spätestens mit der Peregrine- Pleite hat die fernöstliche Wirtschaftskrise auch die Finanzmetropole Hongkong in ihren Strudel hineingerissen. Ausgehend von der Börse der chinesischen Sonderverwaltungsregion gaben gestern weltweit die meisten Aktienmärkte nach. In Hongkong führten die Kursverluste zu regelrechten Panikverkäufen. Nach einem Verlust von 773 Punkten oder 8,7 Prozent schloß der Hang-Seng-Index mit 8.121 Zählern auf dem niedrigsten Stand seit März 1995. Kurz nach der Rückgabe Hongkongs an China hatte der Hang-SengIndex noch bei 17.000 gelegen.

Die Pleite von Peregrine ist zum Großteil hausgemacht. Doch ohne die regionale Wirtschafts- und Finanzkrise hätte sich der Konkurs wohl verhindern lassen. Peregrine wurde vor allem das starke Engagement in Indonesien zum Verhängnis. Die Banker waren offenbar von allen guten Geistern verlassen, als sie dem indonesischen Bus- und Taxiunternehmen Steady Safe einen ungesicherten 260-Millionen-Dollar-Kredit gaben. Der Kredit, der einem Drittel von Peregrines Eigenkapital entspricht, wird angesichts des drastischen Währungsverfalls in Indonesien von 70 Prozent wohl nie zurückgezahlt werden können.

Nachdem in der vergangenen Woche eine zur Schweizer Zürich Gruppe gehörende Investmentfirma eine Beteiligung an Peregrine verworfen hatte, scheiterten am Wochenende Gespräche der Gläubigerbanken. „Wir haben das Wochenende damit verbracht, die Sitze auf der Titanic zu verteilen“, sagte ein Beteiligter. Zu den großen Gläubigern zählt auch die Deutsche Bank. Ein Sprecher erklärte gestern in Frankfurt, die Deutsche Bank habe ihr Geschäft mit Peregrine bereits deutlich zurückgefahren. Es habe eine „nicht bedeutsame“ Größenordnung für den Ertrag des Deutsche-Bank- Konzerns. Während damit wieder eine Pleite als „Peanuts“ verkauft wird, spricht die Stimmung in Hongkong eine andere Sprache.

Vergeblich hatte bereits am Sonntag Finanzsekretär Donald Tsang zur Ruhe gemahnt. Während die Banken gestern mit weiteren Zinserhöhungen auf die Krise reagierten, stieg der Druck auf Hongkongs Währung. Der Hongkong-Dollar ist seit 14 Jahren fest an den US-Dollar gebunden. Nach Ansicht von Beobachtern ist er inzwischen um 30 bis 50 Prozent überbewertet. Gestern betonte Hongkongs Regierungschef Tung Chee-hwa erneut den Willen seiner Regierung, unbedingt an der Währungsbindung festzuhalten. Andernfalls drohe Hongkongs Finanzsystem ein Chaos.

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