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Volle Alimentierung für die Hingabe zum Staat

■ Beamte sind die einzige Berufsgruppe, deren Privilegien nicht mal das Parlament aufheben kann

Man findet sie kaum. Im Grundgesetz steht die Beamtenschaft nur mit wenigen Sätzen. Bei der Gestaltung des öffentlichen Dienstes, heißt es da, „sind die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu berücksichtigen“. Diese Grundsätze sind für das geneigte Publikum im einzelnen gar nicht in der Verfassung nachlesbar. Sie sind einfach da. Überliefert. Unauslöschlich.

Die Grundsätze, entstanden aus der Tradition, die „Bedienten“ deutscher Fürstendiener vor der Willkür der Regenten zu schützen, kodifizieren heute ein weltweit einmaliges Privilegiensystem: Beamte sind unkündbar (Lebenszeitprinzip). Sie steigen nach einem ausgeklügelten System auf, in der Regel automatisch (Laufbahnprinzip). Beamte werden nicht im herkömmlichen Sinne entlohnt, sie werden „amtsangemessen“ alimentiert – für ihre „volle Hingabe“ zum Staat. Die Alimente sind geringer als bei Angestellten, aber ganz praktisch. Die Pensionen bezahlt der so hingebungsvoll umworbene Staat – bis zum Bankrott (Alimentationsprinzip). Ist ein Staatsdiener einmal in eine Position aufgestiegen, ist er dort quasi nicht mehr wegzubekommen (Unentziehbarkeit der statusrechtlichen Ämter). Und sogar auf ihren „Oberrat“ oder „Ministerialdirigenten“ haben die Beamten Anspruch. Das Verfassungsgericht hat in einer Entscheidung die „angemessene Amtsbezeichnung“ in Verfassungsrang gehoben.

Die Grundsätze erweisen sich bei der Reform des Staatsapparats als ausgesprochen hinderlich. Personalentwicklung ist nicht zu machen mit einer Berufsgruppe, die durch den „Beförderungskamin“ aufsteigt. Und dem Abbau von Hierarchien steht die Unentziehbarkeit der Ämter entgegen. Auch die hochgelobten „Führungspositionen auf Zeit“ sind strenggenommen mit den Grundsätzen nicht vereinbar.

Was tun? – würde Lenin fragen, der der Ansicht war, mit deutschen Beamten ließe sich ein guter Sozialismus aufbauen. Glaubt man den Koryphäen des deutschen Staatsrechts, ist gegen die Grundsätze kein Kraut gewachsen. Sie sind nicht veränderbar. Nicht einmal durch den Bundestag.

Je bedeutsamer ein einzelner Grundsatz für das Berufsbeamtentum, so die Argumentation des Staatsrechtlers Detlev Merten, desto weniger Gestaltungsfreiheit habe der Gesetzgeber. Das heißt: Die Beamten sind die einzige Gruppe, deren Privilegien nicht einmal das Parlament in Bonn aufheben kann.

Und wenn der Bundestag doch mal auf die Idee käme? 40 Prozent der Abgeordneten stammen aus dem öffentlichen Dienst – da brennt nichts an.

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