: Von jedem zehn Mark zur Sanierung des Staates
■ Bislang zahlten Beamte keinen Pfennig für die Altersvorsorge. Das übernahm Vater Staat
Ab kommendem Jahr zahlt Michael Birzel erstmals für seinen Ruhestand. Birzel ist weder Student noch arbeitslos – er ist Beamter. Der 32jährige arbeitet seit fünf Jahren als gutbezahlter Referent im Berliner Wirtschaftsministerium. Trotzdem hat er noch keinen Pfennig für seine Pension zurückgelegt. Doch damit soll bald Schluß sein. Birzel, mit 65.000 Mark brutto pro Jahr ein Besserverdienender, muß ab 1999 fürs Alter sparen – ganze 10 Mark pro Monat.
Birzels Zimmerkollege ist ebenfalls Referent, muß aber pro Monat 400 Mark für seine Altersversorgung einbezahlen. Der Kollege, kein beamteter Staatsdiener, sondern ein auf gleicher Position besser bezahlter Angestellter, finanziert seine Rente zur Hälfte selbst. Für Michael Birzel besorgt das Vater Staat zu 100 Prozent. Bislang.
Doch seit klar ist, daß die Beamtenpensionen Deutschland langsam, aber sicher in den Ruin treiben, wird gehandelt. Innenminister Manfred Kanther (CDU) räumt in seinem „Versorgungsbericht“ ein, daß das für die Staatsdiener auszubezahlende Altersruhegeld von heute 34 Milliarden Mark auf 118 Milliarden Mark im Jahr 2020 ansteigen wird.
Am schlimmsten trifft es die Länder, bei denen das Gros der 1,7 Millionen Beamten beschäftigt ist. Bis 2008 wird sich laut Bericht die Ausgabenlast der Länder auf 48 Milliarden Mark mehr als verdoppeln.
Kanthers Methode aber, den Staatsbankrott durch pensionierte Staatsdiener zu verhindern, gleicht dem Versuch, ein Interkontinentalflugzeug mit der Fahrradbremse zu stoppen: Mit sage und schreibe 0,2 Prozentpunkten will er das Heer von 1,7 Millionen Staatsdienern an ihrer Altersversorgung beteiligen. 0,2 – das liegt nicht nur rund 20 Prozent unter dem Rentenbeitrag, den Otto Normalverdiener abzuführen hat. Die Beiträge beziehen sich zudem nicht wie üblich auf das Bruttogehalt, sondern nur auf die Erhöhungen der Besoldung. Mit anderen Worten: Erhält Michael Birzel ab 1999 einen Zuschlag von 2 Prozent auf seinen bisherigen Sold, so bleiben davon 0,2 Prozentpunkte beim Staat. Das sind: 10 Mark.
BeamtenkritikerInnen wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) halten diesen Betrag für viel zu niedrig, um die Kostenexplosion bei den Pensionen aufzufangen. Tatsächlich ist die Lage noch viel dramatischer. Wenn es so weitergeht, müßten die Pensionen irgendwann per Kredit bezahlt werden. Pensionen auf Pump – das stellt den Gesetzgeber vor eine harte Alternative: Entweder er streicht den Artikel, der vorsieht, daß der Staat Kredite nicht für laufende Posten ausgeben, sondern nur investieren darf. Oder er kippt den Grundsatz, daß der Staat die volle Pensionslast für den Beamten übernimmt.
Das aber käme einer Revolution gleich. Denn die Alimentation, das heißt die „amtsangemessene Besoldung und Versorgung“ zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des deutschen Berufsbeamtentums. Und die gelten, zumindest unter den Beamten und den (beamteten) Staatsrechtslehrern, als sakrosankt. „So wie es da steht, verabschieden wir uns vom Beamtentum“, warnte der Verfassungsrechtler Helmut Lecheler in Bad Kissingen vor der Zerstörung des Dienstrechts durch die 0,2prozentige Beteiligung der Beamten an ihren Pensionen.
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