: Versicherung als Minusgeschäft
Gigantische Gewinne erwirtschaftet die Allianz durch bankartige Geschäfte. Ihr Imperium erstreckt sich inzwischen von New York bis nach Kapstadt ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – „Ziel ist es, einem größeren Personenkreis das Ökosystem Wald näherzubringen“, versichert die Allianz. Ein Kastanienwald im Tessin verdankt seine Pflege daher ebenso dem Versicherer wie ein „Natur-Stadtpark“ in Berlin. Der weltgrößte Assekuranzmulti auf dem Weg zum ökologischen Vorzeigebetrieb? Immerhin legte die Allianz als erstes deutsches Versicherungsunternehmen eine Umweltbilanz vor, unterschrieb – wenngleich zögerlich – die „Erklärung der Versicherungswirtschaft zum Einsatz für die Umwelt“ bei den Vereinten Nationen und arbeitet seit 1996 an einem hauseigenen „Umwelt-Managementsystem“: Mittlerweile spart die Münchner Zentrale durch Regenwasser 11.000 Liter trinkbares Naß ein, und Abwärme aus dem Rechenzentrum spart manches Kilowatt.
Das alliierte Imperium erstreckt sich heute von New York bis nach Kapstadt, von Budapest bis nach Jakarta. Und in Deutschland steckt die Allianz nicht nur hinter dem eigenen Firmenschild, sondern auch hinter denjenigen von Hamburger-Mannheimer und Vereinte, hinter DKV und Münchener Rückversicherung, hinter der Deutschen Leben und der Magdeburger Hagelversicherung. Der oberste Sicherheitsverkäufer sichert sich so ein Viertel des deutschen Marktes.
Dabei agiert die Allianz wirtschaftlich bemerkenswert erfolglos. Jahr um Jahr irritiert sie mit deftigen Verlusten in ihrem Kerngeschäft: Der Verkauf von Versicherungspolicen brachte dem Multi seit 1993 ein dickes Minus von zusammen drei Milliarden DM ein. Erst die Bilanz für das zurückliegende Jahr soll ein positives „versicherungstechnisches Ergebnis“ vorweisen, hofft der Vorstand. Richtig profitabel waren bislang lediglich die bankartigen Geldgeschäfte: Kundenbeiträge und eigene Kapitalanlagen von zusammen 350 Milliarden DM ließen bereits im Geschäftsjahr 1996 fast 19 Milliarden Mark in die Gewinnschatulle fließen.
So richtig ernst wird die Allianz erst genommen, seit sie im November die bevorstehende Übernahme der französischen AGF (Assurances Générales de France) bekanntgab. Solche Konzentration lag im 97er Trend: Da fusionierten die Zürich-Versicherung mit dem Assekuranzteil des BAT-Konzerns, die französischen Axa und UAP zu Europas zweitgrößtem Versicherer oder die Credit Suisse mit der Winterthur. Das Bündnis von Allianz und AGF sei „eine wahre und glaubwürdige europäische Allianz“, scherzte Vorstandsvorsitzender Schulte-Noelle ungewohnt komisch im Pariser Hotel „Nikko“. Über neun Milliarden DM wird der Deal kosten, wenn die erwarteten Genehmigungen der französischen Aufsichtsämter vorliegen. Dadurch werden die jährlichen Beitragseinnahmen der Allianz von 75 Milliarden auf mehr als 110 Milliarden DM springen. Für das Bundeskartellamt kein Problem, beruhigt Markus Lange: „Ohnehin werden internationale Konkurrenz und der Euro die Konzentration zusätzlich antreiben.“
Dividenden und institutionelle Kundenkontakte verheißen diverse Dauerbeteiligungen an Industriekonzernen: Da darf es mal flüchtige „Chemie“ sein, etwa BASF (11 Prozent) oder Schering (10), und auch mal kraftvolle „Energie“ von RWE (10) oder Veba (10). Begrenzt wird der Kaufrausch immerhin durch die Anlagevorschriften des Bundesaufsichtsamtes: Nur maximal 30 Prozent des Vermögens darf in Aktien investiert werden – eine Grenze, die bei weitem nicht ausgeschöpft werde, heißt es. Aber auch so gehört der Assekuranz ein Drittel der hiesigen Aktien nach Einschätzung der Berliner Behörde.
Es bestehe kein Grund zu einer „Macht der Assekuranz“-Diskussion, besänftigt Allianz-Sprecher Wolfgang Heilmann: „Industriepolitisch sind wir nicht aktiv.“ Sämtliche Beteiligungen seien „reine Kapitalanlagen“, und, anders als die Banken, hätte man auch keinen Vorsitz in Aufsichtsräten inne und „führe das Wort“.
Ein bis zwei Prozent der Allianz-Arbeitsplätze werden auch 1998 wieder verschwinden. „Wir stecken in einem Teufelskreis“ aus Stagnation des Versicherungsgeschäftes und technischer Entwicklung, schimpft Heilmann. Der kürzlich abgeschlossene Einbau von „Beratungs- und Tarifierungsbausteinen“ in die 22.000 Laptops des Außendienstes wird den Technikschub beschleunigen. Die Vertreter können nun die Policen elektronisch und online an die Gesellschaft weiterleiten. „Damit sind noch weitere Arbeitsplätze im Innendienst gefährdet“, befürchtet Jochen Berking von der Gewerkschaft HBV.
Ebensowenig konnte das Unternehmen bislang mit den Verbraucherschützern eine Allianz schließen. „Sachversicherungen sind sehr teuer bei der Allianz“, klagt Andreas Gernt von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Aber auch die Lebensversicherungen kommen über ein „befriedigend“ kaum hinaus.
Dabei sieht sich die Allianz selber in einigen Bereichen als Marktführerin. „Zudem sind wir im Schadensfall kein schlechter Regulierer.“ Empfehlenswert findet Verbraucherschützer Gernt jedoch eher einige Direktversicherer, die ohne kostenintensives Vertreterheer verkaufen. Mehr als 45.000 Außendienstmitarbeiter bietet statt dessen die Allianz allein in Deutschland auf – „Das hat eben seinen Preis!“ meint Allianz- Manager Heilmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen