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Kein Schadenersatz für Millionenpleite

■ Landgericht weist Klage der Flughafenholding BBF gegen zwei Ex-Geschäftsführer wegen Verlusten von 550 Millionen bei Grundstückskäufen ab. Richter: Politiker im BBF-Aufsichtsrat waren informiert, Kontrolle gab es aber kaum

Der Skandal um die 550-Millionen-Grundstückspleite beim Kauf von Grundstücken am Flughafen Schönefeld bleibt an den Politikern im Aufsichtsrat der Berlin Brandenburg Flughafenholding (BBF) hängen. Gestern wies die Zivilkammer 100 des Landgerichts eine Schadenersatzklage der BBF gegen ihre zwei ehemaligen Geschäftsführer Knut Henne und Robert Grosch auf jeweils eine Million Mark ab. Eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer, wie sie von der BBF moniert worden war, sei „nicht nachzuweisen“, urteilten die Richter.

Die BBF hatte behauptet, daß Henne und Grosch den Aufsichtsrat über die Geschäfte unzureichend informiert hatten und hinter dem Rücken der Aufsichtsräte aus Berlin, Brandenburg und Bonn die millionenschweren Grundstücke aufkaufen ließen. Die Richter sahen es aber als erwiesen an, daß die BBF ihren Geschäftsführern freie Hand gelassen hatte und an ihrer Arbeit nichts zu beanstanden hatte. Im Gegenteil: Im September 1992, als die umstrittenen Flächen bereits gekauft waren, segnete der Aufsichtsrat einen Arbeitsvertrag über fünf Jahre mit Henne ab. Eine Kontrolle der Grundstückskäufe fand in dem Gremium kaum statt, stellte der Vorsitzende Richter Weitz gestern fest: „Politische Vorgaben mit einer Richtschnur dazu haben gefehlt.“

Insgesamt habe die BBF im fraglichen Zeitraum 1991/92 unter einem „wahnsinnigen Zeitdruck“ gestanden, erklärte Henne vor Gericht. Deutlich wurde, daß der eigentlich zur Kontrolle gedachte Aufsichtsrat die Politik der „ausbauorientierten Flächenbevorratung“ abgesegnet hatte, mit der im Zweifel auch Grundstücke gekauft wurden, die für den Ausbau nicht nötig waren. Statt der ursprünglichen Obergrenze von 200 Mark pro Quadratmeter wurden teilweise knapp 400 Mark bezahlt. Berliner und Brandenburger Vertreter waren sich einig, daß der Flächenkauf dennoch wegen späterer Verwertungschancen kein Risiko darstelle. Die Realität sieht anders aus: In die demnächst anstehende Privatisierung geht die BBF mit einem Schuldenberg aus diesen Verlustgeschäften.

Das Gericht konnte keinen Beweis entdecken, daß Grosch und Henne tatsächlich ihre Berichtspflicht verletzt hatten. Schließlich habe aus dem Aufsichtsrat nicht einmal „irgendwann irgendwer den Beklagten Vorhaltungen gemacht“. Und auch der BBF-Anwalt bestätigte, daß die Politiker durch „pflichtwidriges Verhalten im Aufsichtsrat“ ihre Aufgaben vernachlässigt hätten.

Mit dem Urteil bestätigten die Richter die Einschätzung des Rechnungshofes und eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Der Rechnungshof hatte bereits 1994/95 kritisiert, der Aufsichtsrat habe sich nicht um die Grundstücksgeschäfte gekümmert. Die damaligen Berliner Mitglieder des Aufsichtsrates (Verkehrssenator Herwig Haase, der Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne, und die Staatssekretäre für Wirtschaft, Volker Rommerskirchen, und für Finanzen, Theodor Strauch) seien frühzeitigen Hinweisen auf die verlustreichen Immobiliendeals nicht nachgegangen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß bescheinigte dem Aufsichtsrat, er sei von „Apathie, Verantwortungslosigkeit und Dilettantismus“ geprägt gewesen. Bernhard Pötter

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