: Algeriens Regierung läßt die EU abblitzen
Eine für kommenden Freitag in Algier angemeldete Delegation der Führungstroika der Europäischen Union wird kurzerhand wieder ausgeladen. Die Besucher sind ihren Gastgebern nicht hochrangig genug ■ Von Reiner Wandler
Madrid (taz) – Der britische Außenminister Robin Cook hatte sich alles so schön vorgestellt: Vertreter der EU-Troika sollten am Freitag nach Algerien reisen, um dort „herauszufinden, was die Europäische Union zur Lösung des Konfliktes beitragen könne“. Treffen mit Oppositionsparteien waren nicht vorgesehen, ebenso keine unbequemen Fragen zur Lage der Menschenrechte und keine Untersuchungen in den Massakergebieten. Nur „Gespräche über eine gemeinsame Strategie zur Terrorismusbekämpfung“ hatten die europäischen Besucher angekündigt. Cook wollte alles tun, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, in Brüssel wolle man sich in die inneren Angelegenheiten Algeriens einmischen.
Doch selbst ein solcher „Troika- Besuch light“ war der Regierung von Staatspräsident Liamine Zéroual zuviel. Kaum hatte Cook seinen Plan in Straßburg im Europaparlament bekanntgegeben, kam aus Algier die Absage. Außenminister Ahmad Attaf erklärte, die geplante Delegation von Diplomaten aus Österreich, Luxemburg und Großbritannien sei nicht hochrangig genug, um in Algerien mit Ministern zu sprechen. „Wir glauben nicht, daß ein solches Niveau geeignet ist, über derart wichtige Fragen zu sprechen“, meinte Attaf. Deshalb werde man die Gäste in Algier nicht empfangen.
Nicht einmal die von Cook angebotene „Solidarität mit der leidenden Bevölkerung“ wollte Attaf akzeptieren. „Wir brauchen keine humanitäre Hilfe. Wir helfen selbst den ärmsten Ländern Afrikas mit Millionenbeträgen“, ließ er durch seinen Botschafter in London ausrichten.
Für viele Algerier, die aus den Massakergebieten in die Städte des Landes geflüchtet sind, zerplatzt damit auch die letzte Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lage. Die Zahl derer, die außerhalb des Landes Schutz suchen, nimmt nach Angaben der UN- Flüchtlingskommissarin Sadako Ogata ständig zu. Angesichts der Unfähigkeit der algerischen Armee, die Bürger effektiv zu schützen, forderte sie gestern die Staatengemeinschaft auf, Algerier auch dann großzügig aufzunehmen, wenn ihr Flüchtlingsstatus zweifelhaft sei.
Nach der Absage an die Troika ist jetzt auch eine für den 8. Februar vorgesehene Algerienreise einer Delegation des Europaparlaments fraglich. Schließlich will die Gruppe unter der Leitung des deutschen Bündnisgrünen Daniel Cohn-Bendit nicht nur bei der Regierung, sondern auch bei Opposition, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen vorsprechen und so den Vorwürfen nachgehen, in Algerien werde systematisch gefoltert, politische Gegner würden inhaftiert oder verschwinden. Ein solches Anliegen, „ohne Rücksicht auf politischen Opportunismus“, dürfte den Machthabern in Algier noch ungelegener kommen als die jetzt ausgeladene Mission der EU- Troika.
Auch zu Hause ließ die Regierung von Ex-General Zéroual gestern die Muskeln spielen. Abdelkader Hachani, die Nummer drei der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS), wurde in Algier inhaftiert. Am Vortag hatte er in Interviews mit mehreren ausländischen Zeitungen die EU-Troika aufgefordert, sich bei der algerischen Regierung für einen „Prozeß der nationalen Aussöhnung mit allen politischen Kräften“ einzusetzen.
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