: Unterhaltung mit Kratzspuren
■ Madonna Hip Hop Massaker - Der Weg deutscher Bands zur Unverkrampftheit von Popmusik oder: Kommerz macht Spaß
Als Vorband von Whale reizten sie das erste Mal den Das-ist-ja-gar-nicht-so-schlecht-Reflex. Dann wurden sie durch ihre große Plattenfirma in das musikalische Rahmenprogramm für die Batman-Premieren-Party im Hauptbahnhof geschmuggelt, und die Zuckung war die gleiche. Und nun steigert sich ihre Verantwortung noch: Denn war Madonna Hip Hop Massaker für die Filmdeppchen und Semi-Prominenten nur ein musikalisches Rubbellos zum Frei -Fressen und Gesehen-werden, so muß die Band als Haupt-Act des Sommertheater-Abschlußfestes schon promethische Gaben entwickeln, um das Feuer ihres Rave-Rocks in das Publikum zu tragen. Denn Theaterleute tanzen noch immer am liebsten zu Earth, Wind & Fire und Tom Waits.
Da aber bei Sommertheaterabschlußparties erfahrungsgemäß auch viel anderes Publikum angeschwemmt kommt, werden die exilberlinerischen Hessen, deren Debüt-Album Ende September erscheint, bei guter Form den Saal auf Fiebergrade erwärmen können. Denn ihr Sound, eine Mischung aus B 52's und EMF, angereichert um etwas Glamrock, etwas Pop Will Eat Itself, etwas Sigue Sigue Sputnik und eine Prise Hole, liegt bei der Gute-Laune-Wertung bei unter 30jährigen mit Kabel-Anschluß weit vorne.
Die Band gehört zu jener Massenbewegung deutscher Gruppen, denen Viva und die deutsche Plattenindustrie den roten Teppich über die Qualitätslücke zum internationalen Standard gerollt haben und die nun auf professionellem Level die Unverkrampftheit der Popmusik neu entdecken dürfen: Kein deutscher Expressionismus, sondern kommerzielle Unterhaltung mit Kratzspuren.
Till Briegleb
Sa, 26. 8., Kampnagel, k6, 23 Uhr
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