: Das Geheimnis der Pest und die Wahrheit des WCs
■ Erst der Film, dann leibhaftig: Der Psychoanalytiker und Philosoph Slavoj Zizek kommt nach Hamburg
Was hat Michael Jacksons Privatleben mit stalinistischer Architektur zu tun? Was verbindet den strukturalistischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss mit dem surrealistischen Filmemacher Luis Buñuel? Und wie hängt all das mit Toiletten und den verschiedenen Arten, die Scham zu rasieren, zusammen? Wenn einem die Antworten zufallen, als ob sie das Selbstverständlichste von der Welt seien, dann ist man sicher gerade in die Lektüre eines Zizek-Textes vertieft.
Als 1991 sein Buch Liebe dein Symptom wie dich selbst! im Merve-Verlag erschien, ließ der slowenische Psychoanalytiker und Philosoph über Nacht das Schattendasein eines akademischen Geheimtips hinter sich. Seine Amalgamierung von Psychoanalyse, Philosophie, Pop-Kultur und Politik bedeutete über die Grenzen der Universitätsbetriebe hinaus mehr als eine willkommene Abwechslung. Endlich zerfielen die unterschiedlichsten Phänomene – Lacan- und Hegel-Texte, Hitchcock- und Lynch-Filme, Comics, Witze, Science-fiction-Romane – nicht mehr in unvereinbare Welten.
Mindestens ebenso aufsehenerregend wie Zizeks Texte ist sein Vortragsstil. Die Dokumentarfilmerinnen Claudia Willke und Katharina Höcker nahmen Zizeks „schweiß-treibende Rede-Performances“zum Anlaß, ihm einen eigenen Film zu widmen. Den Titel entlehnten sie dem Buch Liebe dein Symptom wie dich selbst!. Der „Denk- und Rede-Maniac“tritt darin wie ein mit der Stimme bewaffneter Guerilla-Kämpfer auf. Offen bleibt dabei, ob das Sprechen das Symptom des Gedankens oder umgekehrt die Gedanken das Symptom des Sprechens sind.
Am Dienstag wird er sein Buch Die Pest der Phantasmen (Passagen Verlag) vorstellen. Darin untersucht er die „Effizienz des Phantasmatischen in den neuen Medien“, das heißt die ideologischen Konsequenzen im Umgang mit der virtuellen Welt des Cyberspace. Wie Chaplin gegenüber dem Tonfilm, so nimmt auch Zizek gegenüber dem Cyber-space eine skeptische Haltung ein. Nicht der Wirklichkeitsschwund stellt das eigentliche Problem der neuen Medien dar, sondern der Zuwachs an Wirklichkeit. Je mehr an Realität vorgegeben ist, desto mehr droht die Phantasieleistung des Einzelnen zu verkümmern. Phantasie aber erzeugt Phantasmen, was Zizek am Gefühl der Eifersucht zeigt. Zizek sieht in der Pest der Phantasmen nicht eine Krankheit, sondern eine subversive Kraft. Vielleicht ist diese Pest auch das Geheimnis des Vortragsstils.
Joachim Dicks
Mo, 19. Januar, 20 Uhr: „Liebe dein Symptom wie dich selbst“, Literaturhaus, Schwanenwik 38; Di, 20. Januar, 19.30 Uhr: „Die Pest der Phantasmen“, Heine-Buchhandlung, Schlüterstraße 1
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