: Bremer Togo-Politik rechts der CSU
■ Bundesentwicklungsministerium hält Abschiebung nach Togo für „ausgeschlossen“/ Bremer Innenbehörde hält an Abschiebe-Kurs fest / SPD sieht sich in Koalitionszwang eingebunden
Vor einer Woche ist der 30jährige Togoer Issah M. aus Bremen in sein Heimatland abgeschoben worden. In der togoischen Hauptstadt Lomé wurde er von Regierungsbeamten – und nicht wie in Bremen verkündet von der deutschen Botschaft – zunächst in Gewahrsam genommen. Anschließend kam er frei und soll ins Landesinnere gereist sein. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von dem oppositionellen, muslimischen Prediger, der in Bremen Asyl gesucht hatte. Und dessen Verfahren schwere Fehler aufwies.
Das deckt sich mit einem aktuellen Länderbericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) von Minister Carl-Dieter Spranger (CSU). Dort heißt es, daß sich die Menschenrechtslage in Togo „äußerlich relativ verbessert hat“. Menschenrechtsverletzungen würden jetzt in dem vor allem von Ausländern weniger beobachteten Landesinneren begangen, die Opfer seien zudem weniger prominent. Dahinter verbergen sich laut BMZ schwerste Übergriffe gegen die Bevölkerung, die „bis hin zu Folter und Ermordung gehen“.
Angesichts dieser Einschätzung kommt das BMZ jetzt zu einem Fazit, das völlig konträr zu der Bremer Abschiebepraxis steht: „Trotz des Amnestiegesetzes ist eine Rückkehr der prominenten sowie der unbekannteren politisch Aktiven jedoch ausgeschlossen bzw. nicht ratsam.“Das BMZ bestätigte diese Einschätzung gestern erneut.
Darum fordern die Bremer Grünen und mehrere Flüchtlingsinitiativen Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) erneut auf, einen Abschiebestopp nach Togo zu verhängen. Der Innensenator solle wenigstens den Bericht des BMZ ernst nehmen und keine weiteren Flüchtlinge in Lebensgefahr bringen, so der Abgeordnete Arendt Hindriksen. Zu dieser Forderung hat er in der augenblicklichen Lage auch allen Anlaß. Zur Zeit gibt es in Bremen mehrere Fälle togoischer Flüchtlinge, deren Asylfolgeanträge abgelehnt wurden und die ständig wie Issah M. aus Bremen abgeschoben werden können. Auch diese Togoer gelten als eben jene unbekannteren Oppositionellen, für die das BMZ eine Rückkehr nach Togo ausschließen würde.
Konsequenzen aus dem neuen Bericht aus Bonn waren bei der Bremer Innenbehörde gestern nicht zu erkennen. Die Expertisen aus dem Auswärtigen Amt seien ausschlaggebend, hieß es. Das ist im Prinzip ein Widerspruch, da die BMZ-Angestellten im Landesinneren hautnah die Menschenrechts-Entwicklung verfolgen können. Das Auswärtige Amt ist lediglich in der Hauptstadt Lomé präsent. Ein weiterer Widerspruch liegt in der Entwicklungspolitik. Während weiter abgeschoben wird, sind sämtliche Entwicklungsgelder für Togo eingefroren – wegen der eklatanten Menschenrechtsverletzungen des Eyadema-Regimes.
Die Bremer SPD hielt sich gestern angesichts dessen äußerst bedeckt. „Minderjährige dürfen nicht abgeschoben werden, wenn sie keine Angehörigen in ihrem Heimatland mehr haben“, sagte die asylpolitische SPD-Sprecherin Barbara Wulff. Ansonsten müsse man von Fall zu Fall entscheiden. Dabei seien ihr jedoch die Hände gebunden, da sie vorab keine Informationen über die anstehenden Abschiebungen erhalten könne. Zudem verwies die Abgeordnete auf die Koalitionsräson, wodurch die SPD nicht mit wechselnden Mehrheiten – etwa mit den Grünen – gegen die CDU einen Abschiebestopp beschließen könne. Jens Tittmann
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