: Verkaufsverbot für Hanfsamen ruiniert Läden
■ Ab dem 1. Februar wird der legale Verkauf von Cannabissamen verboten. Hanfgeschäfte rechnen mit erheblichen Umsatzeinbußen. Ohne Samen lassen sich auch Speziallampen und Dünger nicht mehr absetzen. Händler prüfen Klage
„Wer kauft schon ein Auto, dessen Motor man aus Holland herbeischaffen muß,“ klagt Guido Schlotz, Mitarbeiter eines Kreuzberger „Growshops“. Den zwölf Berliner Geschäften mit Zubehör für den Marihuanaanbau und Cannabissamen wird es ab dem 1. Februar schlechter gehen. Dann nämlich tritt die „10. Neuverordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften“ in Kraft. Sie verbietet den Verkauf von Cannabissamen – zumeist made in Holland – die in „zählbarer Körnermenge häufig in Verbindung mit Beleuchtungssystemen... zu einem nicht erlaubten Hanfanbau verleiten“. Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent sind absehbar, das Überleben der Geschäfte entsprechend ungewiß.
Doch nicht nur der Samenverkauf ist betroffen. Wer soll sie dann noch kaufen, die lichtstarken Speziallampen (bis zu 525 Mark), den Cannabisdünger (bis zu 75 Mark für 5 Liter) oder den Luftreinigungsfilter (bis zu 590 Mark), wenn es nichts mehr gibt, was man auf dem Hochleistungsfeld im Hinterzimmer säen könnte. Bundesweit sind rund 200 solcher Growshops in ihrer Existenz bedroht, weitere 300 Headshops, bei denen der Samenverkauf nicht im Mittelpunkt steht, müssen mit Umsatzeinbußen rechnen.
Bislang war das Betäubungsmittelgesetz im Bezug auf drogenproduzierende Pflanzen durch eine Lückenhaftigkeit gekennzeichnet, die bei mehreren Stoffen eine legale Verfügbarkeit durch die Hintertür gewährleistete: Meskalin und Psilocybin waren verboten, nicht aber Kakteenarten oder Pilzsorten, die diese Drogen enthielten, gleiches galt für deren Samen und Pilzsporen.
Besitz von Haschisch und Marihuana war illegal; mit Marihuanasamen aber, auch wenn sie zu einem eindeutigen Zweck bestimmt waren, ließ es sich auf dem Boden des Gesetzes sogar handeln, schließlich ist in ihnen der Drogenwirkstoff THC nicht nachweisbar.
Der schwunghafte Verkauf begann seit 1994, und die Angebotspalette wuchs ständig: Bis zu 110 verschiedene Samensorten führen einige Händler im Programm. Die Palette reicht vom beliebten „Super Skunk“ („Gewinner des Erntefestes 1990“) über „Durban Poison“ („anisartiger Geschmack“) bis zum technoid anmutenden „KC-3677“ („der Riese unter den Cannabis Pflanzen“).
Das Treiben war landesweit geduldet, nur in Bayern stieß man sich daran. Von dort stammte der Entwurf zu einem Gesetzespaket, das dem SPD-dominierten Bundesrat einen Tausch anbot: Erleichterungen bei der Medikamenten- und Methadonvergabe gegen ein Verbot von Samen und anderen Pflanzen mit berauschendem Mehrwert. Die SPD machte mit.
Seit der Bundesratsentscheidung vom 19. Dezember 1997 hängt bei Guido ein Zettel im Eingang des Ladens, der die Kunden auf das im Februar in Kraft tretende Verbot hinweist. Doch die Kunden reagieren mitunter ungläubig. „Jeder zweite ist völlig überrascht oder glaubt sogar, das sei eine leere Drohung, um den Verkauf hochzutreiben.“
Die Händler werden sich an die Verordnung halten und die Samen aus dem Programm nehmen. Gleichwohl plant man Gegenmaßnahmen: Ein Zusammenschluß von rund 500 Händlern prüft in Zusammenarbeit mit der Uni Hamburg die Möglichkeit einer Verfassungsklage. Die Chancen sind allerdings ungewiß.
Einen anderen Weg empfiehlt der Anwalt Mathias Schillo, Mitglied der Berliner Hanfgesellschaft. Er hält das Samenverbot für einen „gesetzestechnischen Unsinn“, denn „je enger ein Gesetz formuliert ist, desto leichter läßt es sich umgehen“. Das Verbot gilt laut Gesetztestext nur für Samen, die „nach den Umständen zum unerlaubten Anbau bestimmt“ sind und in „zählbarer Körnermenge“ vorliegen.
Anwalt Schillo skizziert den möglichen Ausweg: „Man nimmt eine Handvoll sterilisierter Samen und mischt 10 keimfähige Samen darunter. Von einer abgezählten Körnermenge kann dann schon keine Rede mehr sein.“
Ein anderer Händler denkt darüber nach, eine zoologische Zweigfiliale zu eröffnen, in der man die bei Hausvögeln beliebten Hanfsamen anbieten könnte: „Vogelfutter mit Super-Skunk Geschmack“ müßte es dann heißen. Nils Michaelis
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