: Urlaub auf dem Lande zu Bali
Die Ferienanlage „Sua Bali“ setzt auf sozialverträglichen Tourismus und bietet Integration in die Dorfgemeinschaft – Kochkurse und Tempelprozessionen inbegriffen. Verzicht auf warmes Wasser auch. ■ Von Andrea Kath
Heute ist Vollmond. Ein guter Tag, den Göttern im Tempel zu opfern. In Kemenuh sind alle Bewohner seit Tagesanbruch auf den Beinen. Von fern dringt das monotone Scheppern der Gongs, Zimbeln und Trommeln des Gamelan-Orchesters heran. Die Männer in schwarzweiß karierten Sarongs, flatternden Hemden, ein weißes Tuch um den Kopf gebunden; die Frauen in farbenprächtige Seidensarongs gehüllt und in ihren aus Spitzen bestehenden Blusen: ein Menschenmeer aus Schwarz, Rot, Weiß und Gelb, den Farben der hinduistischen Götter. Vor jedem Gehöft stoppt die Prozession, segnet der Priester das Haus und nimmt die kunstvoll gefertigten Opfergaben entgegen. Nur vier Menschen bewegen sich etwas plump in ihren Sarongs. Es sind Gäste von Sua Bali, die heute mit den Dorfbewohnern zum Tempel ziehen.
Die Balinesin Ida Ayu Agung Mas hat vor zehn Jahren die kleine alternative Ferienanlage Sua Bali gegründet. Nach ihrem Literaturstudium in Deutschland und beeinflußt von der Alternativbewegung der frühen achtziger Jahre wollte sie abseits der großen Ferienzentren ein alternatives Tourismusprojekt verwirklichen, eingebettet in die Kultur und Umwelt der Insel. Für ihre Bemühungen um einen sanften Tourismus auf Bali erhielt sie auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin den To- Do-Tourismus-Preis des Arbeitskreises für Entwicklung und Tourismus in Starnberg.
Fünf mit Alang-Alang-Gras gedeckte Bungalows inmitten eines tropischen Gartens, dazu ein Froschteich, ein moosüberzogener Tempel und drei kleine Balés, nach allen Seiten offene Pavillons, in denen gekocht und gegessen, gelesen oder diskutiert werden kann, laden heute die Besucher ein, Bali auf ungewöhnliche Art zu entdecken. Ida Ayu Agung Mas ist ebenso wie ihre kleine Ferienanlage Mitglied des Dorfes. Damit sind auch die Gäste gewissermaßen Dorfmitglieder auf Zeit, „mit allem Drum und Dran“, wie Ida Ayu es ausdrückt. Wenn beim Spaziergang durch die terrassierte Reislandschaft immer wieder Dorfbewohner fragen, woher man denn kommt, wenn abends der Blick vom tropischen Garten auf den heiligen Berg der Balinesen, den Gunung Agung, fällt, dann rücken Shopping-Touren und touristische Zwangsziele in weite Ferne.
Bei der Planung ihrer Ferienanlage hat Ida Ayu auf alles Überflüssige verzichtet. Die offene Bauweise der im traditionellen Stil errichteten Bungalows ersetzt die Klimaanlage. Und im Badezimmer findet sich statt einer heißen Dusche ein bauchiger Tonkrug. Aus dem kann mit einer Kokosschale kaltes Wasser geschöpft werden. Nicht alle ihre Gäste waren darüber begeistert. Einer hielt es keine drei Stunden aus, weil er die tropischen Temperaturen ohne Klimaanlage nicht länger ertragen konnte. Doch das ist die große Ausnahme. Anke Erath, eine junge Deutsche, die einige Tage gemeinsam mit ihrer Mutter in Sua Bali verlebt, findet das kalte Wasser nicht schlimm. „Die Eindrücke, die ich gewonnen habe, haben das bei weitem aufgewogen.“ Dafür sorgt Ida Ayu Agung Mas. Sie erklärt die unbekannte hinduistisch- balinesische Kultur, bietet indonesische Sprachkurse an und weiht die Gäste ein in die Geheimnisse der balinesischen und indonesischen Küche. Sie zeigt, wie Nasi Goreng, Soto Ayam oder Babi Guling zubereitet werden. Und sie sagt ihren Gästen auch, wie man sich bei religiösen Zeremonien kleidet und sich richtig verhält. Denn die sind auf Bali etwas nahezu Alltägliches.
In Denpasar, der Hauptstadt Balis, sieht es anders aus. Wachsende Müllberge, Plastiktüten und Aluminiumdosen in Bächen und Flüssen oder zerstörte Korallenriffe und Strände, die nun mit Betonquadern vor der Brandung geschützt werden müssen: All dies gehört heute zum Alltag der Insel. Immerhin zwei Millionen Touristen besuchen Bali, Jahr für Jahr. Viele Balinesen fühlen sich von den oft rücksichtslosen Touristen bei ihren Zeremonien, bei Verbrennungen oder Tempelfesten gestört. Für Ida Ayu Agung Mas stimmt es schon lange nicht mehr, daß die Balinesen ihre Kultur trotz des Massentourismus bewahrt haben. Sie erzählt von Prozessionen, die auf den tradtionellen Wegen zum Tempel heute von lärmendem Verkehr umtost werden, von Touristen, die kurzbehost heilige Zeremonien mit ihren ewigen Fotoaufnahmen stören. „Wie soll man bei all dem noch beten?“ fragt sie. Die geheimnisvolle, exotische Insel der Götter und Dämonen, wie Bali von vielen Reiseunternehmen gerne beschrieben wird, hat deutlich Schaden genommen. Das Wort „Paradies“ als Beschreibung für Bali möchte Ida Ayu Agung Mas nicht mehr hören. „Ob es das Paradies auf Bali jemals gab“, ist für sie ohnehin die Frage.
Bereits Anfang der dreißiger Jahre kamen die ersten Touristen nach Bali, damals jährlich gerade einmal 3.000. Doch schon 1940 schreibt die Chronistin Julia Menz in ihrem Buch „Maha jalan, westöstliche Reise“: „Ich zittere etwas, mit Vorurteil beladen: komme ich heute vielleicht schon zu spät nach Bali? Man hört und liest von ,sterbender Insel‘, ,Opfer der Zivilisation‘, ,von Touristen überlaufen‘, – und wir, wir romantischen Nachzügler der Weltgeschichte, hätten uns doch zu gern hier ein menschliches Reservat erhalten, sozusagen ein Retiro, in das man jederzeit flüchten könnte aus den Klauen des Fortschritts (...).“ Die Beschreibung klingt vertraut. Viele Touristen sind enttäuscht. Kaum haben sie das Flughafengebäude verlassen, bleiben sie im Verkehrschaos von Denpasar stecken unnd müssen erkennen, daß auch die Balinesen im 20. Jahrhundert leben, mit all den dazu gehörigen Problemen.
Infos: Ida Ayu Agung Mas, Sua Bali, P.O. Box 3574, Denpasar 80001, Bali-Indonesia.
Tel.: 62-361-941050, Fax: 62-361-941035. Preise: Übernachtung mit FrÜhstück im Einzelzimmer 39 US-Dollar mit eigenem balinesischen Mandi und WC, im Doppelzimmer ca. 22 US-Dollar pro Person und Übernachtung. Zusätzlich wird ein Dollar pro Person und Übernachtung für die Dorfkasse von Kemenuh erhoben. Auf Wunsch indonesisches/balinesisches Mittag- und Abendessen, jeweils 10 US-Dollar pro Person. Sprach- und Kochkurse, Tanz- und Handwerkskurse auf Anfrage.
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