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Unbegrenzt unflexibel

Sozialamt Eimsbüttel streicht alleinerziehender Mutter die Miete, weil sie mit drei anderen Frauen zusammenwohnen will  ■ Von Karin Flothmann

Die Idee ist simpel und bestechend zugleich: Vier alleinerziehende Frauen schließen sich zusammen und suchen gemeinsam ein Haus, in dem sie mit ihren Kindern leben können. Die Frauen planen langfristig: Alle vier wollen nach einer kurzen Phase der Kindererziehung wieder in ihren alten Beruf zurück. Da ist es hilfreich, wenn andere zur Stelle sind, die das eigene Kind am Morgen mit zur Krippe nehmen oder es abends dort abholen und ins Bett bringen. Im sozialen Wohnungsbau in Altona werden die Frauen fündig: Vier Wohnungen in zwei benachbarten Häusern sind zum 1. 1. 1998 bezugsfertig. Das Wohnprojekt steht.

Doch mit diesem Nachbarschaftshilfe-Konzept stößt Daniela Scupin bei Hamburgs Sozialämtern auf taube Ohren. Denn was dort zählt, sind allein die Kosten. Als die 32jährige Sozialhilfeempfängerin im vergangenen Jahr beim Sozialamt Eimsbüttel ihren Umzug beantragt, lehnt die dortige Sachbearbeiterin ab – die neue Wohnung sei zu teuer. 929 Mark Kaltmiete fallen in Altona für 69 Quadratmeter an, in Daniela Scupins ebenso großer Eimsbütteler Wohnung, deren Miete das Sozialamt bezahlte, betrug die Miete rund 100 Mark weniger.

„Als Richtwert für die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist dem Sozialamt bei einem Zwei-Personen-Haushalt ein Betrag i. H. v. DM 750 zzgl. Heizkosten vorgegeben“, schreibt die Sachbearbeiterin. Sie hätte jedoch mehr Spielraum gehabt. Denn die in Hamburg geltenden Miet-„Richtwerte“, so bestätigt die Hamburger Sozialbehörde, sehen derzeit für eine Alleinerziehende mit einem Kind eine Bandbreite von 750 bis 965 Mark vor. Die Sachbearbeiterin aus Eimsbüttel ficht das nicht an. Ihr Resümee: „Darüberhinaus sind Sie nach Ansicht des Sozialamtes ausreichend untergebracht, so daß ein Umzug in eine teurere Wohnung nicht erforderlich ist.“

Daniela Scupin legt Widerspruch ein. Immerhin hat sie gute Gründe, in die direkte Nachbarschaft der drei anderen Frauen zu ziehen. Ab Oktober dieses Jahres will sie ihre Stelle als Kinder- und Freizeitpädagogin beim Bezirksamt Mitte wieder aufnehmen. Nur noch zehn Monate ist sie also auf die Hilfe des Sozialamts angewiesen. Außerdem erklärt sie sich bereit, den Anteil der neuen Miete, den das Sozialamt nicht tragen will, selbst zu bezahlen.

Doch bis heute hat der Widerspruchsausschuß Eimsbüttel keine endgültige Entscheidung getroffen. Ende Dezember ist Daniela Scupin zusammen mit ihrem 15 Monate alten Sohn nach Altona umgezogen. Sozialhilfe und Erziehungsgeld erhält sie auch hier, doch die Miete will das Sozialamt Altona nicht übernehmen, immerhin wurde die ja schon von der Eimsbütteler Kollegin abgelehnt.

Rolf Begemann, der Leiter des Altonaer Sozialamtes, kann diese Ablehnung nachvollziehen. Eine bessere Kinderbetreuung sei nun wirklich kein Grund, einem Umzug zuzustimmen. „Immerhin liegen Altona und Eimsbüttel ja nicht Welten auseinander.“

Und auch Ulrich Winkler, Sozialamtsleiter in Eimsbüttel, hält die Ablehnung für gerechtfertigt. Wohnprojekte von Alleinerziehenden und solche Dinge, das sei ja „alles wünschenswert“. Aber es habe doch rein gar nichts „mit dem Leitmotiv der Sozialhilfe zu tun“.

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