: CDU will Gelöbnis im Weserstadion
■ CDU-Chef Neumann kündigt für Juni ein Bundeswehr-Spektakel in Bremen an / Zuständiger Kommandeur weiß von nichts / Bei Rekruten-Vereidigung kam es 1980 zu Straßenschlachten
„Herr Dr. Scherf, ich sage dies mit voller Überzeugung, ich halte ein Verbleiben Ihrer Person nach all den Vorfällen in Ihrem Amt, nach Ihrer aufwieglerischen Tätigkeit gegenüber der Bremer Polizei, ich halte Sie, und das sage ich deutlich, für ein Sicherheitsrisiko als Jugendsenator in Bremen.“So sagte es – wie man sieht: wörtlich – Bremens CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann vor der Bremer Bürgerschaft am 21. Mai 1980, also zwei Wochen nach dem „6. Mai“, jeder legendären Straßenschlacht vor dem Weser-Stadion, in dem Bundeswehr-Rekruten mit allem militärischen Zeremoniell öffentlich vereidigt wurden. Als im Herbst 1980 die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses über jene blutige Nacht debattiert wurden, wiederholte Neumann: „So ein Senator gehört nicht in die Landesregierung.“
Jugendsenator Scherf hatte sich damals dafür eingesetzt, daß die DGB-Jugend mit den Jusos gemeinsam gegen die öffentliche Militär-Feier demonstriert; er war in jener Nacht auch auf dem Osterdeich gewesen, hatte – friedlich – mitdemonstriert. Ein CDU-Mitglied, das von ihm Einlaßkarten für das Stadion haben wollte, gab im Untersuchungsausschuß zu Protokoll, Scherf habe geantwortet, er wisse gar nicht, daß es dafür Karten gäbe und: „Ich sehe mir diesen Quatsch lieber von hier draußen an.“Das CDU-Mitglied hatte das sofort seinem Vorsitzenden erzählt.
Bernd Neumann war diese alte Geschichte um den 6. Mai 1980 sehr wohl präsent, als er jetzt den Vorschlag machte, das von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe auf einer CDU-Veranstaltung angeregte öffentliche Gelöbnis im Bremer Weser-Stadion zu veranstalten. „Wir könnten die unglücklichen Ereignisse – die Älteren werden es noch wissen – vom 8. Mai 1980 vergessen machen“, erklärte Neumann beim CDU-Neujahrsempfang am Dienstag dieser Woche. „Und deshalb haben wir im Landesvorstand der CDU einmütig eben beschlossen, den Senat zu bitten, gemeinsam mit dem Bundesverteidigungsminister diese Veranstaltung, die für andere Regionen selbstverständlich ist, in Bremen am 9. Juni durchzuführen.“Applaus auf dem CDU-Empfang. Der Termin ist schon mit dem Verteidigungsminister abgestimmt – der kann. Nicht abgestimmt ist die Idee mit dem Koalitionspartner und auch nicht mit dem Mann, der trotz des Neumann-Verdiktes immer noch im Senat ist, Bürgermeister Henning Scherf.
Nicht abgestimmt ist der Termin auch mit dem örtlich zuständigen Kommandeur der Bundeswehr. Der hat bisher die Debatte über die Zeitungen verfolgt und ist „nicht kontaktiert worden“, sagt der Bremer Presseoffizier. „Da in Bremen keine Truppenteile dafür in Frage kommen“, müsse man auch irgendwo im Umland Soldaten zum Gelöbnis zusammensuchen. Überhaupt wäre ein Termin 9. Juni, von dem die zuständige Bundeswehrverwaltung nichts weiß, „sehr kurzfristig“, sagte der Presseoffizier gegenüber der taz.
Hermann Kuhn, Abgeordneter der Grünen, hat wie der Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) einen anderen Rahmen für die Gelöbnis-Feier vorgeschlagen, „sollte die Bundesregierung solche Pläne weiter verfolgen“: Nicht im Stadion sollte dann der Akt stattfinden, sondern auf dem Gelände des Bunkers Farge und zwar am Tag des Hitler-Attentates, am 20. Juli. Erinnerung an den „geschichtlichen Auftrag und die Mahnung Nie wieder Diktatur, nie wieder Krieg soll mit dem Ort verbunden werden“, vorher sollte nach Ansicht der Grünen eine „Öffentliche Fachtagung“zum Thema Rechtsradikalismus, Bundeswehr und Republik stattfinden. K.W.
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