: Wirtschaftskraft statt Widerstand
Verkehrsminister Wissmann begann mit Bau der A 26 durch das Alte Land ■ Von Achim Fischer
Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann gab sich gestern erst gar keine Mühe, sich zu verstellen. „Deutschland braucht ein modernes Straßennetz. Und das werden wir auch gegen Widerstände durchsetzen.“Sprach's und gab den Polizisten einen Wink, daß sie ihm die Demonstranten vom Hals halten mögen, auf daß er den Bau ungestört freigeben könne. Gut einhundert Gegner der A 26 empfingen den Minister mit Trillerpfeifen, Sprechchören und Original-Autobahnrauschen vom Band.
Keine zwei Minuten dauerte die Rede des obersten deutschen Straßenbauers. Kein Podest, kein Rednerpult. Dafür verzweifelte Kameraleute beim Versuch, ihrer Redaktion ein paar Sekunden Wissmann mitzubringen. „Ich bin zu lange im Geschäft, um die Bilder zu liefern, die die Demonstranten gerne hätten“, sagte der Minister zu denen, die ihn im allgemeinen Pfeif- und Rausch-Konzert verstanden.
16 Klagen gegen den Bau der Autobahn zwischen Stade und Hamburg quer durch das Alte Land liegen beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg vor. Die Asphaltpiste ist vor allem wegen eines Teilabschnittes auf Hamburger Gebiet umstritten. Sie würde bei Neugraben den letzten Rest des Moorgürtels zerstören. Dieses Biotop müßte nach Ansicht von Umweltverbänden und der Hamburger GAL nach den Richtlinien der EU eindeutig als Schutzgebiet ausgewiesen werden. Vor zwei Tagen stoppte das Bundesverwaltungsgericht vorläufig den Bau der Ostseeautobahn A 20 mit einer fast gleichlautenden Begründung (siehe Text unten und den ausführlichen Bericht auf Seite 2).
Wissmann plagen keine Zweifel, ob das Lüneburger Gericht seinen Startbefehl bald revidieren könnte. Ende des nächsten Jahrzehnts werde es eine leistungsfähige Autobahn von Hamburg nach Stade geben. Einen Baustopp fürchte er nicht: „Wissen Sie", verriet der Mann, der lange im Geschäft ist, eine Weisheit, „wer zögert und zaudert, der bringt nichts zustande.“
Die Autobahn bringt dem Süderelberaum dreierlei: Entlastung für die B 73, Wirtschaftskraft und mehr Verkehr. 20.000 Autos quetschen sich zur Zeit werktäglich über die B 73 zwischen Stade und Buxtehude. Mit der Autobahn als Parallelstrecke sollen es nur noch 4000 sein. „Völlig utopisch“, nennt Manfred Prügel, Hamburger Geschäftsführer der Naturschutzorganisation NABU, diese Prognose. Der meiste Verkehr komme aus den Dörfern an der B 73 und sei kaum auf die Autobahn zu verlagern.
Umweltverbände und Hamburger GAL nennen schon seit Jahren Alternativen, um die lärmgeplagten Anwohner der Bundesstraße zu entlasten: einzelne Ortsumgehungen, außerdem bessere Zug- und Busverbindungen, Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene oder gemeinsames Verkehrsmanagement von Städten und Betrieben, um etwa Pendlern das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu erleichtern.
„Ich kann die wirtschaftliche Bedeutung der A 26 für die Region nicht stark genug herausheben“, vergaß der Minister nicht, an den „wichtigen, nicht zu vernachlässigenden Standortfaktor“zu erinnern. Und an die künftigen Verkehrsströme im Alten Land. 40.000 Autos sollen künftig jeden Tag über die Autobahn brettern. Damit hätten die Straßenbauer das heutige Verkehrsaufkommen der B 73 glatt verdoppelt.
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