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Niederlagen im Preiskampf

■ Stadtwerke Bremen haben zwei Prozesse verloren, in denen es letztlich um den Preiskampf auf dem Energiemarkt ging: gegen die Stahlwerke und gegen Tractebel-Aufsichtsräte

„Liberalisierung“des Energiemarktes ist die Überschrift, unter der derzeit ein regelrechter Machtkampf zwischen den beteiligten Firmen ausgetragen wird. Und wo es um Macht geht, müssen oft die Gerichte mitreden: In zwei Fällen kamen die Bremer Stadtwerke in den letzten Wochen als Verlierer aus dem Bremer Landgericht.

Fall eins: Die Stadtwerke kaufen von den Stahlwerken Gichtgas, wenige Pfennige der Kubikmeter. Wer da den Kubimeter-Preis um einen Zehntelpfennig verändern kann, gewinnt unter dem Strich zweistellige Millionenbeträge, denn die Stahlwerke liefern Gas für 900 Millionen Kilowattstunden – Strom ausreichend für 200.000 Einwohner einer Stadt.

Die Stadtwerke waren vor Gericht gezogen, weil sie der Ansicht waren, daß nach Wegfall des Ruhrkohlepfennigs eine Preisgleitklausel des Vertrages nicht mehr anwendbar sei. Streitwert: 15 Millionen Mark. In erster Instanz lehnte das Gericht aber die Klage der Stadtwerke ab.

Dieser Rechtsstreit tangiert die Bemühungen nicht, den Vertrag als Strom-Lieferant für die Stahlwerke verlängert zu bekommen, sagt der Stadtwerke-Sprecher Brunner. 1.200 Millionen Kilowattstunden (zu einem Preis von ca. 8 Pfennig) verkaufen die Stadtwerke pro Jahr an die Hütte. Der Arbed-Konzern, zu dem die Stahlwerke gehören, hat seinen gesamten Strombedarf europaweit ausgeschrieben, 5 Milliarden Kilowattstunden, sucht also sozusagen einen Stromlieferanten, der einen Zehntelpfennig weniger für die Kilowattstunde nimmt.

Fall zwei: Dr. Rolf Godesar, Aufsichtsratsmitglied für den belgischen Tractebel-Konzern, hatte im vergangenen Jahr detaillierte Auskünfte über Geschäftsinterna der Stadtwerke verlangt. Zu detailliert, fand der Vorstand. Godesar zog vor Gericht. Er wollte Details wissen, weil die Stadtwerke im Jahren 1996 einen 20 Jahre lang laufenden Gas-Vertrag mit der Ruhrgas abgeschlossen haben.

Das sei angesichts der Liberalisierung des Marktes nicht nachvollziehbar, erklärte Godesar gegenüber der taz, und „alles, was wichtig ist“, stehe in den Informationen für die Aufsichtsräte nicht drin. Stadtwerke-Chef Gerhard Jochum sei ein „sehr guter Geschäftsführer“, versichert Godesar, in dieser Frage aber sei er anderer Auffassung: Wenn die Gaspreise jetzt sinken, haben die Bremer Gas-Kunden das Nachsehen.

„Jedes Aufsichtsratsmitlied kann über alles Auskunft verlangen“, begründete Richter Peter Westermann sein Urteil. Selbst wenn Tractebel dank der internen Informationen etwas billiger anbieten könne, begründe das keinen „Mißbrauch“der Informationen.

Bei den Stadtwerken will man über die Interessen von Tractebel nicht reden: „Wir unterstellen gar nichts“, beteuert der Pressesprecher. Aber könnte Tractebel, ein weltweit operierender Stromkonzern, mit den internen Informationen nicht ein Angebot zur Belieferung der Stahlwerke mit Strom machen? Dafür in Bremen ein Gas-Kraftwerk bauen? Diese Sorge brachte offenbar auch die anderen Aufsichtsräte dazu, sich gegen Tractebel zu stellen.

Was wiederum Godesar nicht versteht: Immerhin sollten die kommunalen Vertreter doch auch über eine so langfristige Bindung an einen Gaspreis stutzig werden und die Interessen der Gas-Bezieher im Auge haben, findet er. K.W.

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