: Freie Universität will ihr Kuratorium entmachten
■ Nach der Humboldt-Uni will jetzt auch die FU die "Erprobungsklausel" des Hochschulgesetzes nutzen, um den Staatseinfluß zurückzudrängen. Wie sich der Machtzuwachs innerhalb der Uni aufteile
Eigentlich war es eine gute Idee. Im Kuratorium sollten jeweils acht Vertreter des Staates und der Hochschule gemeinsam mit sechs Vertretern gesellschaftlicher Gruppen über die Geschicke einer Universität entscheiden. Seit das Abgeordnetenhaus aber im vergangenen Jahr rund 60 Paragraphen des Berliner Hochschulgesetzes zur Disposition der Unis stellte, scheinen die Stunden des ungeliebten Gremiums gezählt zu sein.
Zwar erlaubt die „Erprobungsklausel“ des Gesetzes nicht die völlige Abschaffung des Kuratoriums. Wie es sich zusammensetzt und was es entscheiden darf, kann aber neu geregelt werden. An der Humboldt-Uni hat das Kuratorium seiner Selbstentmachtung bereits zugestimmt. An seine Stelle tritt ein drastisch verkleinertes Gremium, dessen Mitglieder nicht mehr Amts- und Funktionsträger des Staates sein dürfen.
An der Freien Universität (FU) hingegen zeichnete sich am Mittwoch abend im Akademischen Senat (AS) ein Konsens ab, das Kuratorium – wenn man es schon nicht abschaffen kann – in seinen Kompetenzen so weit wie möglich zu beschneiden. FU-Präsident Gerlach hatte anfangs diplomatisch bekundet, er verfolge „keine missionarischen Absichten“. Als er der kuratoriumsfeindlichen Stimmung gewahr wurde, fand indes auch er deutlichere Worte. In dem Gremium werde „die Universität in einer Weise verkauft, daß man von Glück reden kann, wenn es gut geht“. Aus dem Erfahrungsschatz der Demokratiegeschichte argumentierte der Historiker Hagen Schulze. Werde die Uni in Haushaltsfragen autonom, sei es „widersinnig, das Kuratorium noch mit einem solchen Globalhaushalt zu befassen“. In der Logik eines parlamentarischen Systems „stellt der Präsident den Haushalt auf, und der AS genehmigt ihn“. Während bisher das Kuratorium das Recht hat, den Haushalt zu bewilligen, will Schulze diese Kontrollfunktion nun an ein anderes inneruniversitäres Gremium vergeben, das nicht dem politischen Einfluß des Berliner Senats unterliegt.
Eine Gegenposition bezog unter den Professoren allein Vizepräsident Werner Väth. Der Politologe sah „die Kuratoriumskritik als Unterfall allgemeiner Parlamentskritik“ und mochte in solchen Populismus nicht einstimmen. Zwar will auch er das Kuratorium in seiner Zusammensetzung „entschlackt“ sehen, ihm die „Budgetkompetenzen“ aber belassen. Grundsätzlicher wurde Hans Menzler, Vertreter der sonstigen Mitarbeiter. Die „Erprobungsklausel“ sei eine „Brüningsche Notverordnung“, der die Unis „ihre Demokratie opfern“ sollten.
Die StudentInnen, neben den Gewerkschaften bislang die vehementesten Kritiker der „Erprobungsklausel“, arbeiten noch an einer Stellungnahme. Etwas Zeit haben sie noch: Demnächst wird sich der AS mit der Kompetenzverteilung zwischen Uni-Leitung, Gremien und Fachbereichen beschäftigen – mit der Aufteilung der Befugnisse also, den die Uni dem Senat und dem Kuratorium zu entwinden gedenkt.
An der TU hingegen ist die „Erprobungsklausel“ noch kein Thema. Dort hat der AS am Mittwoch abend die Neugliederung der 15 Fachbereiche in acht Fakultäten beschlossen, für die bis Ende März Ausstattungspläne vorliegen müssen, um die Einsparungen aus den Hochschulverträgen zu erfüllen. Experimente mit den Gremien stehen für die TU, so Pressesprecherin Kristina Zerges, „erst am Schluß der möglichen Entwicklung“ Ralph Bollmann
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