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Massengräber für Tausende von Tieren

■ 900.000 pestverdächtige Schweine wurden in Spanien getötet. Weitere 300.000 sollen folgen

Madrid (taz) – Ende voriger Woche rollten auch in Torrejon de Velasco die gefürchteten Bagger an. Die Einwohner des 1.500-Seelen-Dorfes vor Madrid beobachteten argwöhnisch die Arbeiten, die das Landwirtschaftsministerium angeordnet hatte. Ein Massengrab für 5.500 Schweine wurde ausgehoben. Denn der Befund der Zuständigen aus der Hauptstadt kennt kein Erbarmen: Schweinepest, die Tiere müssen notgeschlachtet werden.

Zwar zahlen die EU, die Regierung in Madrid und die Regionalverwaltung den Tagespreis als Entschädigung für die geopferten Tiere, mit dem Geschäft ist es für die Landwirte in Torrejon de Velasco trotzdem aus. Denn aus Brüssel kam umgehend das Exportverbot in die EU für sechs Landkreise rund um Madrid. Sie reihen sich in eine Liste von 15 weiteren Kreisen im Zentrum des Landes sowie nahe der nordspanischen Mittelmeerküste ein, wo bereits 900.000 Tiere der Seuchenbekämpfung zum Opfer gefallen sind. Landwirtschaftsministerin Loyola de Palácio veranschlagt die noch ausstehenden Notschlachtungen auf weitere 300.000 Tiere. Zusammen sind das 3,5 Prozent der 30 Millionen Schweine in Spanien. Bisher bekamen Bauern 250 Millionen Mark Entschädigung.

Die Seuche, die im April 1997 nach zehn Jahren Entwarnung erneut ausbrach, ist die schlimmste seit den siebziger Jahren. Damals machten den Spaniern gleich zwei Viren zu schaffen: die klassische Schweinepest, die auch jetzt wieder zuschlägt, und eine Variente, die aus Afrika eingeschleppt wurde. Obwohl beide, so das Landwirtschaftsministerium in Madrid, für den Menschen unbedenklich sind, hielten viele Länder jahrzehntelang ihre Grenzen für spanische Fleischprodukte verschlossen. Brüssel nahm Schweinefleisch von der Iberischen Halbinsel erst 1988 wieder in den gemeinsamen Binnenmarkt auf. Washington gab vor etwas mehr als einem Jahr grünes Licht, und in Japan ist der Import weiter verboten.

Bei den Viehzüchtern geht nun erneut die Angst vor schweren Exportverlusten um. Die Schweinezucht, mit 6 Milliarden Mark Jahresumsatz wichtigster Sektor der spanischen Vieh- und Landwirtschaft, hat Millioneninvestitionen getätigt, um den EU- und US- Markt zu beliefern. Ausgerechnet dabei sei die Seuche aus Holland eingeschleppt worden, behaupten die Viehzüchter. Vor allem Portugal fordert seit Monaten ein Ausfuhrverbot für spanisches Schweinefleisch. Da Brüssel bisher nicht so weit gehen will, hat Lissabon eigenmächtig die Grenze dicht gemacht und über sieben Tonnen Fleisch beschlagnahmen lassen. Um Brüssel zu besänftigen, will Ministerin Palácio der EU-Kommission Anfang Februar einen Notplan vorlegen. Wo die Seuche ausbricht, werden danach alle Tiere in einem Umkreis von drei Kilometern für 30 Tage in Quarantäne gehalten, bis zu 20 Kilometer Entfernung wird die Ausfuhr von Tieren untersagt. Blutkontrollen werden vorgeschrieben.

Deutsches Schweinefleisch darf derweil wieder in alle europäischen Länder exportiert werden. Belgien und Österreich müssen ihre Einfuhrverbote aufheben, entschied die EU-Kommission gestern. Ein Embargo soll nur für den Nordosten Deutschlands gelten. Reiner Wandler

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