Press-Schlag
: Der Potentat duldet keine Dissidenten

■ Präsident Heinz Weisener bastelt kühl an der neuen Architektur des FC St. Pauli

Immer wieder dasselbe Szenario: Das Architektenbüro von St. Paulis Präsident Heinz Weisener im noblen Hamburger Stadtteil Harvestehude wird von einem Pulk Journalisten belagert. In die Aufgeregtheit der Hansastraße tritt der grauhaarig-soignierte „Papa Heinz“ und diktiert mit brüchiger Stimme: „Mit sofortiger Wirkung, eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen“. Und: „Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.“ Formeln, mechanisch vorgetragen, wie von einem überforderten Priester, der nach einer Epidemie Massenbestattungen vorzunehmen hat.

Über den FC St. Pauli, derzeit auf dem 7. Tabellenplatz der zweiten Fußball-Bundesliga, schwappt eine Säuberungswelle. Seit April vergangenen Jahres wurden mit den Trainern Uli Maslo und Eckhard Krautzun, Vizepräsident Christian Hinzpeter und Manager Helmut Schulte vier Amtsträger zur Demission beim Bundesliga- Absteiger gedrängt. Ausgerechnet Heinz Weisener, dem nachgesagt wird, entscheidungsschwach und immer das Opfer seines letzten Gesprächspartners zu sein, greift immer härter durch. „Wir haben begonnen, die alten Zöpfe abzuschneiden. Jetzt sollen profihafte Leute mit Ideen kommen.“

Während Maslo noch während der letzten Erstligasaison an seinem selbstherrlichen Führungsstil scheiterte und Krautzun wegen Konzeptlosigkeit durch Co-Trainer Gerhard Kleppinger ersetzt wurde, wird den Alt-St. Paulianern Hinzpeter und Schulte Ineffektivität und Illoyalität vorgeworfen. Ein Verdacht, auf den Weisener mittlerweile mit der Höchststrafe reagiert. Der Potentat duldet keine Dissidenten in seinem Hofstaat.

Helmut Schulte packte vor wenigen Tagen seine Sachen bereits zum zweiten Mal. In den glorreichen Jahren von 1987 bis 1991 hatte er den FC St. Pauli trainiert und war am Millerntor mit Unmengen seiner Lieblingsfrucht Bananen überschüttet worden. Bei seinem zweiten Rauswurf überreichte Schulte jedem Spieler eine Südfrucht. Eine Symbolik, die ins Leere zielt. Verweise auf Tage, in denen das schillernde Image des Klubs begründet wurde, zählen heute nicht mehr.

Der 69jährige Präsident bastelt an einer neuen Architektur des Vereins. Sein Lebenswerk, das erst mit dem Umbau des Wilhelm-Koch-Stadions zur Heinz-Weisener-Arena abgeschlossen ist. Helfen sollen dabei Männer seines Vertrauens wie Robert Ahrens, der sich zum Vizepräsidenten und Ersten Präsidentenberater aufgeschwungen hat. Oder der schatzmeisternde Vizepräsident Horst Niewicki, der so leidenschaftlich den Rotstift ansetzt, daß er sich wohl irgendwann selbst wegrationalisieren wird. Die beiden sind nicht für ihre großen Gefühle rund um den Fußball bekannt. Das Kommando Weisener arbeitet kühl an einem marktorientierten FC St. Pauli – an einem Fußballunternehmen von der Stange, kritisiert die Opposition.

Daß ein Stadionumbau aus ökonomischen Gründen notwendig ist, Profifußball nur mit professionellen Strukturen funktioniert, ist auch in der fanpolitisch aktiven Gegengeraden zum Allgemeingut geworden. Daß der konservative Weisener immer dünnhäutiger auf das Mitsprachebemühen organisierter Fans reagiert, ist symptomatisch für die Trendwende beim FC. Man könne nicht das „Flaggschiff des Sozialismus“ sein, verteidigt Ahrens den neuen Kurs.

Hat derjenige, der jahrelang bezahlt, das Meinungsmonopol? Umgangsformen und Stil, auf die Heinz Weisener einmal so viel Wert legte, leiden. Präsidium und Aufsichtsrat laborieren an einer gewissen geistigen Inkontinenz: Nichts bleibt da, wo es hingehört. Interna werden ausgeplaudert, über die Medien Gerüchte lanciert. Das Millerntor ist zum Vorzugsort für Intrigen geworden. Christian Hinzpeter hielt jahrelang mit Hingabe Mythen vom Fußball-Gegenmodell St. Pauli am Leben. „Der Mythos ist schon lange tot“, gestand im Dezember der scheidende Hinzpeter. Rainer Schäfer