: Genossin unerwünscht
■ Bayerisches SPD-Mitglied ist wegen taz-Artikel von Parteiausschluß bedroht
Nürnberg (taz) – „Ehrlos“ soll sie gehandelt und „grob“ gegen die Grundsätze der Partei verstoßen haben. SPD-Mitglied Christiane Kolbet soll aus der Partei fliegen, weil sie Parteimitgliedern „antisemitische Tendenzen“ vorgeworfen hatte.
Als Begründung zieht der Ortsverein, der den Parteiausschluß beantragt hat, neben Äußerungen seiner Noch-Genossin einen taz- Artikel heran. Darin war über die Auseinandersetzung um den früheren NSDAP-Ortsgruppenleiter, SA-Rottenführer und Rassekundelehrer Wilhelm Koch berichtet worden, nach dem in der Gemeinde Adelsdorf bei Erlangen eine Straße benannt war.
Der Streit um den Straßennamen hatte im Frühjahr letzten Jahres bundesweit Aufsehen erregt. Eine von Kolbet mitinitiierte Recherche über Kochs Tätigkeit in der NSDAP sowie über sein Verhalten gegenüber jüdischen Schülern mündete in einen Antrag zur Umbenennung der Straße, den der Gemeinderat jedoch ablehnte.
Die Stimmung in der Gemeinde kochte hoch, als kurz vor dem Bürgerentscheid im September ein Lichtermarsch zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Holocaust durch die Ortschaft zog. Passanten störten das Gedenken durch Pfeifen, Johlen und Grölen antisemitischer und nazistischer Parolen. Zwei Wochen später rang sich der Gemeinderat dann doch durch, die Wilhelm-Koch-Straße in Hopfenstraße umzubenennen.
Da Christiane Kolbet unter den Störern auch eine Reihe ihrer Parteigenossen entdeckt hatte, wandte sie sich an die bayerische SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt. Deren persönlicher Referent riet ihr, „die Partei vor Ort“ damit zu konfrontieren. Dies tat Kolbet und ging damit an die Öffentlichkeit.
Für den Adelsdorfer Ortsverein Grund genug, den Parteiausschluß zu beantragen. Ortschef Jörg Bubel warf Kolbet parteischädigendes Verhalten vor. Unter dem Punkt „Intrigen gegen verdienstvolle Mitglieder des Ortsvereins“ führt er eine taz-Reportage an. Darin wurden der frühere Adelsdorfer SPD-Bürgermeister Alfons Trapp und SPD-Genossin Elsa Hörrlein mit äußerst lobenden Worten über den örtlichen NSDAP-Chef Koch zitiert. Christiane Kolbet habe den Verfasser des Artikels gezielt zu den beiden SPD-Mitgliedern geschickt, vermutet Bubel. Eine weitere Zusammenarbeit mit Kolbet könne daher „keinem im Ortsverein zugemutet werden“. Bernd Siegler
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