: Kein Reich im Sachsenwald
■ Rechte Feier zur Reichsgründung durfte diesmal nicht ins Mausoleum des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh
„Deutschland, Deutschland über alles“ist das Motto der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO): Am Sonnabend hatte sie anläßlich der Gründung des Deutschen Reichs am 18. Januar 1871 zu einer Feier nach Friedrichsruh geladen. Doch die rund 100 Angereisten aus dem Kreise der Vertriebenen und Burschenschaften wurden enttäuscht.
Aus Angst vor einer Gegendemonstration zog Fürst Ferdinand von Bismarck seine Erlaubnis zurück, die Feierlichkeit zu Ehren seines Urgroßvaters Fürst Otto von Bismarck im Mausoleum des Reichsgründers und „Eisernen Kanzlers“von Kaiser Wilhelm I. abzuhalten. Er wolle keinen Ärger auf dem Familienbesitz im Sachsenwald, ließ er Organisator Uwe Vehsel wissen.
„Stinksauer“, wie Vehsel versicherte, eröffnete der Junge Landsmann deshalb die Feierlichkeit in einem weniger historischen Ort, dem benachbarten Forsthaus Friedrichsruh. Dort beklagte – der in Antifa-Kreisen bislang unbekannte – Festredner Otto Grams den Verlust Preußens und bezeichnete Bundespräsident Roman Herzog als „Verräter“, da dieser die Grenzen der Bundesrepublik anerkenne. Seine Worte trafen auf offene Ohren. Denn seit ihrer Gründung 1991 fordert die Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen mit Sitz in der Harvesterhuder Parkallee 68 in ihrer Publikation Fritz die Nichtanerkennung der polnischen Westgrenze.
1995 bescheinigte das Bundesamt für Verfassungsschutz der Publikation „Anhaltspunkte für rechtsextreme Bestrebungen“. Neben besten Beziehungen zu den Vertriebenenverbänden, unterhält die etwa 1000 Mitglieder starke JLO in Hamburg engste Kontakte zur rechtslastigen Burschenschaft Germania Königsberg und dem „Leserkreis der Jungen Freiheit“.
In den vergangenen Jahren hatte die JLO zusammen mit dem „Bismarck-Bund e.V.“nach Friedrichsruh eingeladen. Der Bund vereint etwa 500 Mitglieder aus dem rechtsextremen und nationalkonservativen Spektrum und verleiht alljährlich in Bismarcks Mausoleum Medaillen an „verdiente vaterländische Gesinnte“. Mit dem Wohlwollen ihres Schirmherren Fürst Ferdinand von Bismarck. 1996 hatte der jetzige Hausherr den „Traditionsverein für Bismarck-Fans“, so Fürst Ferdinand, schon einmal enttäuschen müsen. Er sagte die Reichsgründungsfeier wegen einer angekündigten Gegendemonstration ab. Andreas Speit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen