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Frankreich-Zentrum ohne Romanistik

■ Wenn heute an der TU das Frankreich-Zentrum feierlich eröffnet wird, verhindern nur diplomatische Rücksichten einen Eklat. Mit der ursprünglichen Idee hat das Zentrum nur noch wenig gemein. Querelen um S

Heute vormittag geht es gediegen zu im Lichthof der Technischen Universität (TU). Mit einem Empfang des Regierenden Bürgermeisters eröffnet die TU ihr Frankreich-Zentrum, nach dem Festvortrag des französischen Botschafters Francois Scheer steht ein „musikalischer Ausklang“ auf dem Programm.

Daß dem Publikum dabei keine Dissonanzen zu Ohren kommen, ist allein diplomatischer Rücksichtnahme zu verdanken. Denn mit der ursprünglichen Gründungsidee hat das Frankreich- Zentrum, das heute eröffnet wird, nur noch wenig gemein. „Auf institutioneller Ebene“, warnte der Berliner Kulturattaché Hubert Guicharrousse in einem internen Memorandum schon im Sommer 1996, „sind alle Bedingungen vereint, damit das Frankreich-Zentrum nur mittelmäßig funktioniert“. Zu diesen Bedingungen zählt, daß es an der TU künftig kaum noch Romanisten geben wird. Bereits vor zwei Jahren beschloß der Fachbereichsrat, alle romanistischen Studiengänge außer „Französische Literaturwissenschaft“ einzustellen. Sprachwissenschaft soll ebenso entfallen wie italienische und spanische Literaturwissenschaft. Statt derzeit sechs sind nur noch zwei Professorenstellen für „Romanistik/Französisch“ vorgesehen. Mit der Herauslösung des Französischen „aus dem wissenschaftlichen Verbund der Romanistik“ kehre die TU „zum Uraltkonzept der Nationalphilologien“ zurück, moniert der Augsburger Romanist Henning Krauß in einem Protestbrief, den 27 renommierte Fachkollegen unterstützen. Besorgt sind die Franzosen aber auch über den Stellenplan für das Zentrum selbst. Dort sollen ein Germanist, ein Historiker und ein Philosoph lehren und forschen. Dabei handelt es sich um umgewidmete Stellen der jeweiligen Institute. Deshalb befürchtet der Kulturattaché, daß die Professoren „nur 50 Prozent ihrer Zeit dem Frankreich-Zentrum widmen werden“. Die Stellenbeschreibungen entsprächen den Bedürfnissen der Germanisten, Historiker und Philosophen, „nicht denen des Frankreich-Zentrums“. Der Verdacht des Diplomaten: „Unter dem Deckmantel, Synergien mit dem Frankreich-Zentrum zu schaffen, versuchen die Fachbereiche in Wahrheit abwicklungsbedrohte Stellen zu retten.“

Wenig erfreut zeigte er sich auch über die personellen Querelen. Ursprünglich hatte der Fachbereich den Romanisten Michael Nerlich damit beauftragt, das Zentrum auf den Weg zu bringen – verweigerte ihm aber im Frühjahr 1995 die Wiederbesetzung seiner Assistentenstelle. Ohne diese, teilte der Romanist seinem Fachbereich mit, könne er die Arbeit nicht mehr leisten. Die Position eines „kommissarischen Direktors“ des Zentrums übertrug der Fachbereichsrat daraufhin dem damaligen Dekan Günter Abel.

Der Philosoph Abel weist die Vorwürfe indes zurück. Die drei Professuren, die er Germanisten, Historikern und Philosophen mühsam entwunden habe, seien nicht von der Streichung bedroht gewesen. Abel sagt freilich selbst, es stehe in der Macht des Fachbereichsrats, den Damokles-Vermerk „kann wegfallen“ notfalls auf eine andere Planstelle zu verschieben. Daß es an der TU „keine vollblühende Germanistik mit allem Drum und Dran“ mehr gibt, gesteht er ein. Neben den zwei Romanistik-Professuren seien aber noch zwei der entfallenden Stellen besetzt, auch böten zwei Professoren für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft romanistische Lehrveranstaltungen an. Die protestierenden Romanisten, folgert Abel, seien „nicht umfänglich informiert“. Ralph Bollmann

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