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Ein Verseschmied gegen Schröder

Wahlkampfauftakt der niedersächsischen CDU: Peinliche Reime vom Spitzenkandidaten Wulff, Altbackenes vom Kanzler. 6.000 Fans schlafen die Füße ein  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Zweimal war die Christian- Wulff-Hymmne „Welcome today – welcome tomorrow“ erklungen. Ernst Müllers „Blasorchester“ hatte für Stimmung gesorgt. In der Niedersachsenhalle sollte es jetzt richtig losgehen mit dem CDU- Auftakt für die heiße Phase des niedersächsischen Landtagswahlkampf, 6.000 Parteimitglieder warteten. CDU-Landeschef Christian Wulff schwärmte von der „größten Veranstaltung der CDU Niedersachsen in einer geschlossenen Halle“. Er versprach den regierenden Sozialdemokraten „die größte Mobilisierung der bürgerlichen Wählerinnen und Wähler, die es je bei einer Landtagswahl in Deutschland gegeben hat“.

Es tritt an: der Kanzler. Und als er eine gute Stunde später am Ende seine Rede war, hatten sich die Reihen der CDU-Getreuen merklich gelichtet, hatten bei den vielen, die hinten stehen mußten, die müden Füße über des Kanzlers Mobilisierungskraft gesiegt. Weitere acht Mal will Helmut Kohl bis zum 1. März in Niedersachsen im Wahlkampf noch auftreten. Die wichtigste Botschaft seines Einstiegs in das große Wahljahr am Samstag in Hannover lautete schlicht: Vom Kanzler nichts Neues. Natürlich beschwor Kohl die „Grundsatzentscheidung über den Kurs der deutschen Politik“, beschwor die große Steuerreform, die im Bundesrat blockiert werde und doch das wichtigste Mittel gegen „das Hauptproblem der deutschen Innenpolitik, die viel zu hohe Arbeitslosigkeit“ sein soll. Merkte an, daß es unter den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern „zu viele Trittbrettfahrer“ gibt. Erinnerte daran, daß für seinen Geschmack Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder „in der Grundsatzfrage unserer Zeit, der deutschen Einheit, völlig versagt haben“. Nichts Neues also. Der „Kanzler der Einheit“ war bei diesem Gastspiel für die einst programmierten Jubelstürme nicht mehr gut.

Mehr als Kohl, der die Konkurrenz von der SPD und den Grünen nur in Nebenbemerkungen angriff, hatte vorher CDU-Spitzenkandidat Christian Wulff gegen Gerhard Schröder vom Leder gezogen, einen „politischen Dünnbrettbohrer“, einen „wirtschaftspolitischen Dilettanten“, einen „Egomanen, Zeitgeistsurfer und karrieresüchtigen Opportunisten“. Wulff machte Schröder für die „unverantwortliche Staatsverschuldung“ in Niedersachsen, den „Niedergang im Sozialbereich und für die Streichung von 3.000 Lehrerstellen verantwortlich. Schließlich verlegte sich Wulff sogar aufs Verseschmieden: „Lügen haben kurze Beine – kürzer sind dem Schröder seine. Selbst den Kalauer: „Wirtschaft öder, Schüler blöder, Diebe schnöder – Gerhard Schröder“ gab Christian Wulff zum besten.

Da klatschten die CDU-Anhänger noch, wenn auch wenig enthusiastisch. Es reichte samt der Kanzlerrede aber nicht, die niedersächischen CDU-Getreuen so richtig für den Wahlkampf zu motivieren. Gut für die Konkurrenz.

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