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Die Telekom als Leberwurst Von Carola Rönneburg

Man soll ja nicht nachtragend sein, sondern schnell vergeben und vergessen. Gewöhnlich gelingt mir das; in wenigen Fällen allerdings ist es um meine Nachsicht schlecht bestellt. Mit zunehmendem Alter und nachlassender Erinnerungskraft mag sich das ändern.

So werde ich meiner ehemaligen Vorgesetzten, Frau S., weiterhin in Rechnung stellen, daß sie dereinst regelmäßig meinen Schreibtisch ansteuerte und Stifte und Notizzettel neu und vor allem rechtwinklig anordnete. Frau S. belehrte mich dann jedesmal, man könne doch „viel, viel besser arbeiten“, wenn Stifte, Notizzettel und natürlich das Telefon akkurat an der Tischkante ausgerichtet wären. Das sei doch alles „nicht nur praktischer, sondern sieht auch viel hübscher aus“. Dabei war es ihr vollkommen egal, mit welchen Arbeiten ich mich zu diesem Zeitpunkt beschäftigte: Hauptsache, sie konnte wieder einmal meine Stifte, meine Notizzettel und das Telefon berühren.

In Vollmondphasen – ich war leider damals zu jung und zu dumm, ihr das Herumpfuschen in meinen Sachen zu verbieten – pflegte sie darüber hinaus auch noch den Inhalt von Schränken und Regalen neu zu verteilen. „Ich verstehe nicht, wie man so arbeiten kann“, sagte sie gewöhnlich zum Auftakt einer solchen Umräumerei, und dann schleppte sie Aktenordner hierhin und dorthin, belud mich und auch gleich noch meine Kolleginnen mit Kartons und schuf eine neue Büroweltordnung. Zum Abschluß setzte sie sich auf meinen Platz und demonstrierte, daß so durch die Verlagerung bestimmter Posten vom oberen in das untere Regal „unheimlich viel Zeit“ beim Griff nach dem Ordner „A–F“ gespart werden konnte.

Ich muß wohl kaum erwähnen, daß genau dieses Arrangement nur kurze Zeit später als „unglaublich unpraktisch“ bemängelt wurde und „niemals“ von ihr getroffen worden war.

Als ich aber nun neulich hörte, daß Frau S. ihren Meister in Gestalt eines tobsüchtigen Geschäftspartners gefunden hat, wurde mir warm ums Herz.

So geht es mir in diesen Tagen auch mit der Telekom, dem Unternehmen, unter dem man jahrelang leiden mußte: das sechs Wochen benötigte, um meinen übernommenen Apparat freizuschalten, das seine Störungsstelle offenbar mit einer Vierteltagskraft besetzt hatte und das meine Gebühren in aufwendige Werbekampagnen investierte, obwohl es diesem Zeitpunkt noch Alleinanbieter war.

Vor diesem Hintergrund registriere ich erfreut, wie die Telekom sich jetzt Mühe geben muß. Plötzlich ist es zum Beispiel möglich, die Auskunft schon beim ersten Versuch zu erreichen, und seit neuestem kann man sich auch ohne teuren ISDN-Anschluß die Nummer eines Anrufers auf der Digitalanzeige des Telefons zeigen lassen. Na bitte! Aber ebenso schön wie überraschende Kundenfreundlichkeit und Zusatzleistungen ist die Reaktion der Telekom auf Probleme, die seit dem ersten Januar nicht mehr „lästiger, nervtötender Kunde“ heißen dürfen, sondern „Mitbewerber“. Als die Kirchen ihren Wechsel zum Anbieter o.tel.o ankündigten, die gebührenfreie Telefonseelsorge aber weiterhin der Telekom anvertrauen wollten, war der ehemalige Monopolist so herrlich empört und beleidigt, daß ich noch Wochen davon zehren werde.

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