■ Die Anderen: "La Repubblica" schreibt zum Papstbrief über die künftige kirchliche Schwangerschaftsberatung / "La Tribune" zur 35-Stunden-Woche in Frankreich / "Sewodnja" kommentiert den Zwölf-Punkte-Plan zum Vorantreiben der Reformen
„La Repubblica“ aus Rom schreibt zum Papstbrief über die künftige kirchliche Schwangerenberatung in Deutschland mit Blick auf Bundeskanzler Helmut Kohl: Armer Kanzler! Ausgerechnet für den Wortführer der christlichen Staatsmänner Europas hält die katholische Kirche im schwierigsten Wahljahr seiner politischen Karriere ein vergiftetes Geschenk bereit. Der dramatische Konflikt zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken hat auch diesen Aspekt. Wie Bismarck ist auch der katholische Kohl entschlossen, die Unabhängigkeit und Neutralität des Staates zu verteidigen. Vergeblich haben Kohl und andere christliche Politiker Wojtyla gebeten, von der Konfrontation abzulassen. Schon andere Male hat Kohl die Unnachgiebigkeit des Vatikan bei Themen wie Abtreibung, Empfängnisverhütung und Zölibat mit einem Mut kritisiert, der, nebenbei gesagt, den
katholischen Politikern Italiens leider oft gefehlt
hat.
Die Pariser „La Tribune“ meint zur Debatte über die 35-Stunden-Woche in Frankreich: Die Schlacht um die 35 Stunden beginnt heute im Bereich der Gesetzgebung. Gibt es nach vier Monaten steriler öffentlicher Scharmützel zwischen der Regierung und dem [Arbeitgeberverband] CNPF noch Zuschauer auf den Tribünen? Ja und nein. Ja, denn die Versprechen auf eine Verkürzung der Arbeitszeit sind in der öffentlichen Meinung – die Umfragen belegen es – auf eine seltsame Mischung aus Hoffnung und interessierter Skepsis gestoßen. Die Franzosen sind noch für neue Lehren ansprechbar und bereit, ihnen Glauben zu schenken. Nein, denn die Franzosen – und in erster Linie diejenigen, die täglich das Fehlen von Arbeit erleben – sind es leid, einem Streit um Zahlen beizuwohnen, der ihnen Lichtjahre von dem eigentlich gestellten Problem und ohne wirklichen Bezug dazu zu sein scheint.
Die Moskauer Tageszeitung „Sewodnja“ kommentiert den Zwölf-Punkte-Plan, den Präsident Boris Jelzin der Regierung zum Vorantreiben der Reformen verordnet hat: Außer der Steuersenkung und dem Begleichen der Schulden verspricht die Staatsmacht noch viel Gutes. Die rechtzeitige Auszahlung der Renten und Löhne, die Schaffung eines zielgerichteten Systems des Sozialschutzes, die Versorgung der Militärs mit Wohnungen, den Rechtsschutz und so weiter. Das ist praktisch alles, was die Regierung im vorigen Jahr erreichen wollte und was ihr nur mit wechselndem Erfolg gelungen ist. Sogar die Begleichung der Lohn- und Rentenschulden wurde in eine politische Losung umgewandelt, kann aber kaum als besondere Errungenschaft gewertet werden. Die ausländischen Kredite dafür hätten irgendwie besser genutzt werden können.
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