piwik no script img

Hillary Clinton wittert eine Verschwörung

Im US-Fernsehen präsentiert sich die US-Präsidentengattin erneut als liebende Ehefrau. Die aktuellen Vorwürfe, Clinton habe Affären gehabt und zum Meineid angestiftet, seien eine Verschwörung der Rechten  ■ Aus Washington Peter Tautfest

„Ich liebe meinen Mann“, sagte Hillary Clinton bei einem Interview im US-amerikanischen Fernsehsender NBC, „aber ich liebe auch mein Land. Und besorgniserregend sind nicht nur die persönlichen Anwürfe gegen Bill Clinton, sondern die Verschwörung, die sich zum Sturz des Präsidenten zusammengefunden hat und die Methoden, die sie anwendet.“

Das Interview war vor Wochen vereinbart worden und sollte Bestandteil jener PR-Kampagne sein, die für gewöhnlich dem jährlichen Bericht zur Lage der Nation vorausgeht. Hillarys Absicht war es, über den Plan der Regierung zu sprechen, die Kinderunterbringung der USA zu reformieren und dafür Bundesmittel zur Verfügung zu stellen sowie Steuererleichterungen zu gewähren. Doch zur Zeit kennen die US-Medien nur ein Thema. „Hat Ihr Mann Ihnen beschrieben, was für ein Verhältnis er zu Monica Lewinsky hatte?“, wollte der Interviewer wissen. Die Frage wurde zweimal gestellt – und zweimal antwortete Hillary Clinton, daß sie mit ihrem Mann darüber geredet habe, daß die Nation die volle Wahrheit erfahren werde – aber nicht durch sie.

Hillary Clinton reklamiert Erfahrungen im Umgang mit Krisen. „Wir sind schon ganz anderer Dinge bezichtigt worden“, erläuterte sie und verwies auf den Videofilm, den Jerry Falwell, der geistige Führer der rechten Christian Coalition, in Umlauf bringt, in dem ihr Mann des Mordes an seinem Mitarbeiter Vincent Foster und des Drogenhandels beschuldigt wird. Die Vorwürfe, sagte Hillary Clinton und ging damit weiter als bisher irgend jemand im Umkreis des Präsidenten, seien Bestandteil einer Verschwörung zum Sturz des Präsidenten. „Es ist soweit gekommen, daß in diesem Lande Strafjustiz und Sonderermittlungen den politischen Prozeß ersetzen.“

Eigentlich sei dieser Skandal ein Krimi für sich – eine Herausforderung für einen investigativen Journalisten, der sich an das Thema herantraut –, und der würde aufzeigen, wie aus einer Bagatelle ein Unterfangen zum Umsturz geworden sei. Die Nachforschungen des bestellten Sonderstaatsanwalts in Sachen Whitewater haben sich im Laufe von fast vier Jahren zu einem monströsen Verfahren ausgeweitet. Dessen Ziel sei nicht mehr Aufklärung, sondern „die Annullierung zweier Wahlergebnisse“. Der ursprünglich eingesetzte Ermittler Robert Fiske wurde abgesetzt und durch Kenneth Starr ersetzt, einem Parteigänger der Rechten, und zwar von einem Kollegium, dessen Richter von Clintons entschiedensten Gegnern im Senat bestellt wurden. Inzwischen seien die Arroganz und der Machtmißbrauch offenkundig geworden. „Dies könnte es sein“, sagte Hillary Clinton, dies könnte der eine Schritt sein, den der Ermittler zu weit gegangen ist. Hieran könnte die Verschwörung zerbrechen. Die Krise als Chance also.

Hillary Clinton, die gestern in New York war, um für die Gesetzesinitative ihres Mannes zur Kinderbetreuung zu werben, berichtete davon, daß jene, die am meisten durch die von den Clintons geplanten sozialen Reformen profitieren würden, fest zum Präsidenten stehen. „Stand by your Man“, stand auf einem Transparent, mit dem sie begrüßt wurde. Tatsächlich sind nach jüngsten Umfrageergebnissen 60 Prozent der US- Amerikaner nicht dafür, den Präsidenten wegen sexueller Libertinage im Weißen Haus aus dem Amt zu jagen.

Wenn sie für einen Augenblick ihre Rolle als First Lady vergessen könnte, wurde Hillary Clinton zum Schluß des NBC-Talks gefragt, wie würde sie über einen Präsidenten urteilen, der sich zuschulden habe kommen lassen, was jetzt Bill Clinton vorgeworfen wird. Hillary zögerte und sagte dann: „Das wären sehr ernste Vorwürfe.“

Das Buch übrigens, von dem Hillary Clinton sich wünscht, daß es ein mutiger Reporter schreibt, gibt es schon. 1996 erhielt James Stewart, Redakteur des Wallstreet Journal, dafür den Pulitzerpreis. Es untersucht den Whitewater Deal und die Folgen. Es erschien unter dem Titel „Blood Sport“. Der Autor war von Hillary Clinton selbst zu diesem Buch aufgefordert worden. Da sie der Presse insgesamt mißtraute, wollte sie einem Reporter ihrer Wahl alle Dokumente zugänglich machen und alle Kontakte ermöglichen. Der Autor beklagt sich im Vorwort über die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Weißen Hauses. Auf eigene Faust kommt er zu dem Ergebnis, daß die Clintons sich wahrscheinlich nichts zuschulden haben kommen lassen. Eine Verschwörung gegen sie aber gebe es auch nicht – nur einen Verfall politischer Sitten auf beiden Seiten: Unoffenheit und Versteckspiel auf Seiten der Clintons und ein gnadenlose Hetzjagd der Gegner.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen