piwik no script img

Kirche setzt Koalition unter Zugzwang

■ Während die FDP der Kirche gleich den Geldhahn zudrehen will, müssen CDU und CSU in dem Fall um ihre Wählerstimmen bangen

Beeinflußt der Papst den Ausgang der Bundestagswahl? Durch die Entscheidung der deutschen Bischöfe, in den katholischen Beratungsstellen ab 1999 keine Beratungsscheine für schwangere Frauen mehr auszustellen, sind jedenfalls Konflikte in der Koalition programmiert. Während FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle fordert, die Kirche dürfe nicht vom Staat für ihre Beratungstätigkeit bezahlt werden, sofern sie keine Beratungsscheine ausstelle, lehnt das die CSU ab.

Der Rechtsexperte der CSU, Norbert Geis, sagte gestern, „die jetzige Praxis zwingt die Kirche, an Abtreibungen mitzuwirken“. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber aber klar aufgetragen, eine Beratung für das Leben vorzugeben. Es gebe keine Institution, die das konsequenter erfülle als die Kirche. Es sei daher nicht richtig, ihr Geld vorzuenthalten, nur weil sie konsequent den Verfassungsauftrag erfülle. Geis lehnt auch die Forderung Westerwelles ab, wonach andere Einrichtungen die Beratungstätigkeit der katholischen Kirche übernehmen müßten, damit es keine Engpässe bei der Ausgabe von Beratungsscheinen gebe.

Die CDU sieht noch keine Veranlassung, über finanzielle Auswirkungen zu sprechen, sagte Fraktionssprecher Walter Bajohr. Schließlich wolle die Kirche noch bis zum Jahresende Beratungsscheine ausstellen. Gesetzgeberische Konsequenzen sind deshalb erst einmal vertagt. Die CDU ist damit im Wahljahr aus der Bredouille, klar Stellung beziehen zu müssen. Fraktionssprecher Bajohr läßt aber durchblicken, daß die CDU der Kirche die finanzielle Unterstützung nicht entziehen möchte. Er sei nicht sicher, so Bajohr, ob überhaupt Konsequenzen gezogen werden müßten. Ganz werden sich Diskussionen aber nicht vermeiden lassen. Keine geringere als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) spricht sich dafür aus, gegebenenfalls die staatlichen Fördermittel zu streichen.

Gestärkt fühlen darf sich der Flügel um Familienministerin Claudia Nolte (CDU), die für eine neue Diskussion um den Abtreibungsparagraphen 218 plädiert hatte und von Kanzler Kohl zurückgepfiffen worden war. Schon hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner gestern die Gelegenheit genutzt, die „überfällige Kritik“ von Frau Nolte zu verteidigen. Damit sät er neuen Zwist im Unionslager und sorgt für Unruhe bei den Wählern.

In der CSU fürchten einige, die aktuelle Debatte könne ein, zwei Prozentpunkte kosten. Zwar könne die Partei nichts dafür, daß die Bischöfe nicht länger Beratungsscheine ausstellen wollen. Aber in Bayern, so heißt es, „trennen die Leute nicht zwischen Partei und Kirche“. CSU-Präsidiumsmitglied Alois Glück fürchtet, daß die gestrige Entscheidung der katholischen Kirche den mittelfristigen Rückzug aus den vom Staat finanzierten Bereichen Bildungs- und Sozialarbeit bedeuten könnte. Das, so Glück, treffe die Identität der beiden C-Parteien „ins Mark“, weil die ideologischen Wurzeln gekappt würden. Markus Franz, Bonn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen