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Grüne schieben Algerier ab

GAL fordert Abschiebestopp für Algerier in der Bürgerschaft. Aber noch im Dezember hatte sie einer Abschiebung zugestimmt  ■ Von Silke Mertins

Anna Bruns war richtig in Form. Der Hamburger Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) – ihr alter Intimfeind – halte einen Abschiebestopp eines einzelnen Bundeslandes bekanntermaßen für eine „liberale Attitüde“. Aber, mahnte die stellvertretende Fraktionschefin der GAL gestern in der Bürgerschaft, es gebe auch „ein Recht auf Föderalismus“und „das Gebot der Menschlichkeit“.

Die Grünen forderten mit einem Antrag den Senat auf, sich auf der Innenministerkonferenz am Montag für einen Abschiebestopp für algerische Flüchtlinge einzusetzen. Kann keine einheitliche Regelung gefunden werden, setzt sich die GAL für einen Alleingang Hamburgs ein. Als Begründung schilderte Bruns eindrücklich die Mas-saker und die staatliche Beteiligung an der eskalierenden Gewalt in dem nordafrikanischen Land. „Wollen wir die Verantwortung dafür übernehmen?“, fragte die langjährige Migrationspolitikerin das Parlament.

Noch am 8. Dezember vergangenen Jahres hatten die GAL-Abgeordneten im Eingabenausschuß der Bürgerschaft die Dringlichkeit offenbar weitaus geringer eingeschätzt. Die Petition des 31jährigen Algeriers Mokdad S., in Deutschland bleiben zu dürfen, wurde abgelehnt. Und zwar mit den Stimmen von Bruns und ihren FraktionskollegInnen Manfred Mahr und Antje Möller. Lediglich der vierte im grünen Bunde, Parlamentsneuling Mahmut Erdem, entschied gegen eine Abschiebung.

Mokdad S.'s Asylantrag ist rechtskräftig abgelehnt. Eine Verfolgung und Bedrohung durch den algerischen Staat konnte er nicht nachweisen. Ebensowenig, daß es sich bei seinen Narben um Folterfolgen handelt. Er war 1994 untergetaucht und wurde 1997 zufällig bei einer Polizeikontrolle aufgegriffen. Seit zwei Monaten sitzt er nun in Abschiebehaft.

„Das Gesetz läßt lange Haftstrafen zu“, sagt der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal. Bis zu 18 Monaten kann ein „ausreisepflichtiger Ausländer“eingesperrt werden. Insgesamt sitzen vier Algerier im Hamburger Abschiebegefängnis Glasmoor ein, zwei von ihnen seit Mitte Januar. Sie wurden zu einem Zeitpunkt in Haft genommen, als die Meldungen über Massaker in dem nordafrikanischen Land Tag für Tag für Schlagzeilen sorgten.

Keiner der vier sei jedoch „akut“von Abschiebung bedroht. „Das sind Fälle, bei denen Paßersatzpapiere besorgt werden müssen“, so Smekal. Und da ließen sich die algerischen Auslandsvertretungen in der Regel viel Zeit. Insgesamt sind 132 algerische Flüchtlinge „ausreisepflichtig“.

Am kommenden Montag geht es auf der Innenministerkonferenz der Länder (IMK) um die Frage, ob man sich zu einem bundeseinheitlichen Abschiebestopp – der maximal sechs Monate dauern kann – durchringt. Bei einer halbjährigen Gnadenfrist, so Smekal, „müßte man die Abschiebehäftlinge wohl freilassen“.

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