: Mammutprozeß endete ganz klein
■ Bewährungsstrafen im Blocklander Menschenraubverfahren
Als Mammutprozeß gegen eine libanesische Erpressergang hatte die Bremer Justiz den Prozeß angekündigt, aus Sicherheits- und Platzgründen wurde die Verhandlung über den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubs in die Haftanstalt Blockland verlegt. Nach diversen Prozeßpannen und sogar einer Schlägerei im Gerichtssaal wurden Mittwoch weit früher als erwartet die Urteile gesprochen. Der Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes konnte nach Angaben des Bremer Landgerichts nicht bestätigt werden.
Sieben der 16 überwiegend aus dem Libanon stammenden Angeklagten wurden wegen Geiselnahme und Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen ein und zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die einzige weibliche Angeklagte wurde freigesprochen, vier Verfahren wurden eingestellt. Bereits am vergangenen Freitag hatte das Gericht vier Verfahren eingestellt. Die Anwälte der Angeklagten deuten diese Urteile als Beleg dafür, daß die Justiz dieses Verfahren zu sehr aufgebauscht habe.
Den Beschuldigten im Alter zwischen 23 und 44 Jahren war vorgeworfen worden, vor knapp einem Jahr einen 47 Jahre alten Gastwirt verschleppt, bedroht und zur Ausstellung eines Schuldscheins über 166.000 Mark erpreßt zu haben. Der Richter begründete die relativ milden Urteile damit, daß die Täter den Gastwirt zwar einer „psychischen Tortur“unterzogen, aber nicht mißhandelt hätten.
Der Gastwirt hatte die Angeklagten auch beschuldigt, ihn zum Abheben von 200.000 Mark von einem Luxemburger Konto gezwungen zu haben. Zudem sei der Gastwirt in „Geschäfte“mit den Angeklagten verwickelt gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung.
Den Angeklagten zufolge handelte es sich bei den 200.000 Mark um Schulden, die der Gastwirt nicht zurückzahlen wollte. Das Gericht konnte nicht endgültig klären, wem das Geld eigentlich gehörte. Zu Nachfragen des Gerichts über mögliche eigene kriminelle Taten schwieg der Gastwirt ebenso wie zu Vorhaltungen, die Schuldensumme könne in Verbindung mit einem geplatzten Kokaingeschäft stehen.
Zwei der Angeklagten müssen trotzdem in Haft bleiben. Sie werden beschuldigt, mit beträchtlichen Mengen Kokain gehandelt zu haben. Die Einstellung des Verfahrens haben sie nach Angaben des Richters lediglich der Tatsache zu verdanken, daß das zu erwartende Strafmaß in dem neuen Prozeß wesentlich höher liegt als bei der mysteriösen Geiselnahme. dpa/taz
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