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"Endlager für ausgediente Bankangestellte"

■ Commerzbank will überflüssige Beschäftigte in eine Zeitarbeitsfirma auslagern: "Attraktive Alternative" zur Kündigung. Gewerkschaft warnt

Kürzlich bekamen alle Beschäftigten der Commerzbank einen merkwürdigen Brief von ihrem Arbeitgeber. „Alle Mitarbeiter, die unser Haus unfreiwillig verlassen“, könnten in eine neue Firma wechseln, die die Bank zusammen mit dem Zeitarbeitsunternehmen Adecco gründen will. Von dieser in der Bankwirtschaft bislang einmaligen Methode der Personalreduzierung könnten in Berlin bis zu 250 von insgesamt 2.200 Commerzbank-Beschäftigten betroffen sein, schätzen Betriebsräte. Der Vorsitzende des Betriebsrats, Detlef Kayser, bezeichnet die Firma als „Endlager für ausgediente Angestellte“.

An der Gesellschaft soll die Commerzbank 49 Prozent und die weltweit größte Zeitarbeitsfirma Adecco 51 Prozent halten, sagt Banksprecher Peter Pietsch. Die Gründung erfolge „in den nächsten Monaten“. Allen bundesdeutschen Beschäftigten, deren Stellen wegfallen, biete die Bank „eine attraktive Alternative“ zur Kündigung, so Pietsch.

Freiwillig und ohne Bewerbung sollen die MitarbeiterInnen für 18 Monate und mindestens 80 Prozent ihres letzten Gehaltes in die Zeitarbeitsfirma wechseln. Während der anderthalb Jahre will Adecco die Ex-Banker für neue Aufgaben qualifizieren und ihnen Zeitarbeitsverhältnisse oder unbefristete Verträge bei anderen Unternehmen vermitteln. Über die Art der Weiterbildung werde noch mit der Bank und dem Betriebsrat verhandelt, erklärt eine von Adecco beauftragte PR-Agentur. Wie oft die ausgelagerten MitarbeiterInnen den Job wechseln müssen, ist offen.

Die Commerzbank betont, daß „mindestens 70 Prozent der Mitarbeiter ein unbefristetes Anschlußarbeitsverhältnis“ finden. Gleichzeitig heißt es aber in dem Brief: Es gibt „keine Garantie für eine erfolgreiche Vermittlung. Diese Nachteile sind nicht zu leugnen.“

Außerdem sinken die Abfindungen auf 70 Prozent der sonst fälligen Summe, falls die MitarbeiterInnen innerhalb von 18 Monate nicht vermittelt werden können. Betriebsräte weisen außerdem daraufhin, daß die ausgelagerten Beschäftigten nur noch höchstens 50 Prozent im Vergleich zu ihrem letzten Gehalt vom Arbeitsamt erhalten, werden sie von Adecco nach 18 Monaten in die Arbeitslosigkeit entlassen. Nach einer Kündigung durch die Commerzbank bekämen sie viel mehr.

Die Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats reichten nicht aus, um die Gründung der Gesellschaft zu verhindern, meint Detlef Kayser. Aber man „hämmere“ den bundesweit bis zu 2.000 betroffenen BankerInnen ein, daß sie nicht gezwungen werden können, das Angebot anzunehmen. Zwar halte er die Auslagerung der Beschäftigten für „besser als Entlassungen“, meint Frank Wolf, Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), doch die Bank schaffe sich damit „ihre Probleme vom Hals“. Die Commerzbank solle ihre MitarbeiterInnen statt dessen im eigenen Haus weiterqualifizieren, damit sie dort oder in anderen Unternehmen neue Jobs fänden, so Wolf. Diese Lösung freilich dürfte das Institut teurer kommen als die Verabschiedung in die neue Firma. HBV- Bundesvorstandsmitglied Klaus Carlin verlangt deshalb, ein Teil der geplanten Aktionärsdividende solle nicht augeschüttet, sondern für die Qualifizierung verwendet werden.

Die Kündigung droht vor allem Bankangestellten, die leicht rationalisierbare Tätigkeiten wie das Eingeben von Überweisungen ausführen. Infolge der zunehmenden internationalen Konkurrenz versuchen alle Banken, ihr Personal zu reduzieren. HBV-Sekratär Wolf vermutet, daß in den kommenden Jahren rund 2.500 der 25.000 Stellen im Berliner Bankgewerbe auf der Abschußliste stehen. So plant die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft Berlin die weitere „sozialverträgliche“ Einsparung von 1.000 Beschäftigten, um schließlich nur noch 15.000 Leute bezahlen zu müssen. Auch bei der Deutschen Bank werden weitere Stellen eingespart, weil bundesweit etwa 3.000 Jobs wegfallen sollen. Hannes Koch

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