: Bürgerfreundlich weite Wege
Soziale Dienste werden in Hamburg zentralisiert. Eltern haben das Nachsehen ■ Von Kaija Kutter
Es komme ihm vor wie ein Schildbürgerstreich, sagt ein Sachbearbeiter des Amts für Soziale Dienste. Da setzten sich die Sozialdezernenten aller sieben Bezirke zusammen, um unter dem peppigen Titel „AG neues Jugendamt“nach effektiven und bürgerfreundlicheren Strukturen zu suchen, und nun das: Im Laufe des Jahres werden alle 28 Dienststellen aufgelöst und bezirksweise zusammengefaßt.
Für Mütter aus Billstedt oder Mümmelmannsberg heißt dies, daß sie ab Sommer diesen Jahres bis zum Klostertor am Hauptbahnhof fahren müssen, wenn sie ihr Kind für einen Kita-Platz anmelden wollen. Eltern aus Steilshoop oder Rahlstedt müssen demnächst in die Wandsbeker Zentrale reisen. Wenn man bedenkt, daß es für die rund 40.000 Hort-, Krippen-, Ganztags- und Tagesmütterplätze auch noch jährlich einen neuen Bewilligungsbescheid gibt, bedeutet dies viel zusätzliche Fahrerei.
Doch nicht alle Aufgaben der Sozialen Dienste werden zentralisiert. Die Scheidungsberatung oder die Gewährung von „Hilfen zur Erziehung“bleiben vor Ort oder werden sogar vom Bezirk weg in die Ortsämter „regionalisiert“. Das Konzept „Neues Jugendamt“umfaßt viele Details, die „für das Publikum nicht so spannend sind“, meint die Eimsbütteler Sozialdezernentin Brigitte Samtleben. In ihrem Bezirk wird das Konzept seit Anfang Februar umgesetzt. Bezirkliches Jugendamt und das Amt für Soziale Dienste bekommen nun eine gemeinsame Leitung. Die neuen „Kindertagesheimsachgebiete“bei den Sozialen Diensten vermitteln neuerdings auch Tagesmütter und berechnen entsprechende Zuschüsse, was bisher die Jugendämter taten.
„Nun müssen die Mütter nicht mehr von A nach B laufen“, sagt Claudia Eggert, Bezirksamtssprecherin in Hamburg-Mitte. Ein Vorteil freilich nur für Eltern, die nicht wissen, ob sie eine Tagesmutter oder eine Kita suchen. Interne Kritiker hingegen fürchten vor allem einen Verlust von Bürgernähe.
Hundertprozentig überzeugt ist man aber auch auf der Leitungsebene von der neuen Struktur nicht. Eimsbüttels Sozialdezernentin Samtleben findet das Modell zwar gut, würde die komprimierte Dienstleistung aber gerne wieder auf die Ortsämter verteilen, „wenn wir die Kapazitäten hätten“. In Hamburg-Nord und Harburg verspricht man hoch und heilig, den Verlust der Bürgernähe durch „regionale Sprechstunden“zu kompensieren. Ein Angebot, das in Eimsbüttel allerdings auf keine große Nachfrage stieß. Samtleben: „Da ist kaum einer gekommen.“
„Es wird nach Lösungen gesucht, die bürgerfreundlich sind“, sagt auch Beate Klipp von der Kita-Aufsicht in der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB). Ihres Wissens werden die Ämter für Soziale Dienste vor allem deshalb zentralisiert, weil eine EDV-Vernetzung der alten Dienststellen zu teuer wäre. Wenn die Computer keine Beine haben, müssen eben die Menschen laufen.
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