: Residenz für bedrohte Arten
■ Umweltbehörde betont den ökologischen Wert des Hollerlands
Viel wird geredet vom Hollerland. Weil dem Naturschutzgebiet für den „Technologiepark“was abgeknabbert werden soll. Und wegen des Autobahnzubringers nach Lilienthal. „Zurück zur Sache selbst“fordern nun „Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland“(BUND) und Vertreter der Bürgerinitiative „Hollerland“. Anlaß ist eine Veröffentlichung aus dem Haus der Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD) – ein Überblick über „die Sache selbst“: über das 13 Jahre alte „Westliche Hollerland“.
Ein 293 Hektar großes Stück Wiese und Wasser zwischen Bremen und Lilienthal. Von Süden her beschallt durch die A 27, im Westen angrenzend ans Wohngebiet „Hollergrund“. Von Norden her bewässert durch die Wümme. Über ein Jahrzehnt hingen Saft und Kraft in den Wiesengräsern vor allem vom Niederschlag ab – mit der Folge, so Michael Abendroth vom BUND, „daß zeitweilig das Feuchtgebiet unnatürlich trocken ausfiel.“Jetzt wird es von einem kleinen Wümme-Speichersee aus benetzt, der rüber zum Jan-Reiners-Wanderweg fließt und dem Naturschutzgebiet Power gibt. Ohne Pumpe, betont Naturschützer Gerold Janssen. Die Schachtarbeiten für immerhin rund zwei Millionen Mark mußten die Bauträger für das Wohngebiet Hollergrund aufbringen – als Kompensation für entzogenes Wasser – die Naturschutzverbände hatten kräftig nachgeholfen. Für feine Mitarbeit bedankten sie sich gestern bei der Gewoba, die als Bauträgerin mitzog und heute mit dem Slogan „Tierisch viel zu sehen!“für den Blick auf feuchte Kuhaugen werben.
Daß es tierisch viel zu sehen gibt, würde Frank Hellberg ungefragt unterschreiben. Seine Studie liegt jetzt bei der Umweltsenatorin aus. Akribisch hat der Biologe im Auftrag der Naturschutzbehörde Untersuchungen über Bremens zweitgrößtes Naturschutzgebiet ausgewertet. Sein Resümee: Das Hollerland sei ein „Refugium für 93 gefährdete Tier- und Pflanzenarten“und eine intakte „ökologische Umgebung“. Neunzig Kilometer Grabenvegetation in denen seltene Krebsscherenlibellen schwirren. Die würden ohne das Wasserkraut wohl eingehen. Oder der Pillenfarn, der als besonders schutzwürdig eingestuft wird: „Wenn die bei uns in Mitteleuropa aussterben, dann sind die auf der ganzen Welt weg“, so Hermann Kordes, der die Arbeit an der Studie beratend begleitete.
Residierend im Naturreich Hollerland auch der Wachtelkönig, eine bundesweit vom Aussterben bedroht Art, genau wie ihre graue Eminenz, die Sumpfohreule. Und auch mit dem Kampfläufer haben die Naturschützer einen fast ausgestorbenen Streiter zur Seite.
Kämpferisch angegangen wurde gestern vor allem Ronald-Mike Neumeyer, der CDU-Fraktionsvorsitzende. Wenn die CDU das Hollerland in Richtung Oberblockland verlegen wolle, so gestern der grüne Horn-Beirat Dieter Mazur, dann möge Neumeyer doch vorher die neue Studie in der Naturschutzbehörde durchlesen: „Damit er wenigstens weiß, was er kaputt macht.“Der dem CDU-Politiker unterstellte Spruch, „Die Viecher können ruhig mal ein Stückchen weiterfliegen“, zeuge zumindest von „massiver Unkenntnis“. ritz
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