■ Vorschlag: U.S. Maple und Flying Luttenbachers – live auf der Insel
Die auf freundschaftlichen Banden beruhende Produktionseinheit Band war jahrzehntelang die Grundlage der Rockmusik. Mit dem Ende derselben, das zwar nie offiziell betrauert wurde, aber dank allgemeiner Gleichgültigkeit lange schon stattgefunden hat, versuchte man sich an Strukturauflösungen. Komischerweise dauerte es aber bis U.S. Maple, daß innerhalb eines Bandzusammenhangs die Auflösung der Bandstrukturen betrieben wurde.
Des Experiment des Quartetts aus Chicago sieht so aus, daß Sänger Al Johnson, der früher einmal bei der Punkband Shorty war, sich nicht an den Proben der Restband beteiligt, sich nur ab und an die neuen Ergebnisse zu Gemüte führt, daraufhin Texte schreibt bzw. verändert und anpaßt. Prinzipiell hören sich U.S. Maple nicht unbedingt anders an als Generationen von Noise-Rockern oder No- Wavern vor ihnen, auch sie lösen Rock vor allem mit Hilfe der Atonalität auf. Rock explodiert hier nicht, sondern wird eher zerrieben, abgetragen bis auf die Grundmauern. Den gegenteiligen Weg gehen die Flying Luttenbachers und schütten, vom Free Jazz kommend, mit Sounds aus dem Death Metal alles zu. Das wird dann groß, gewaltig und ebenso bedrohlich. Beides darf man Kakophonie nennen, ohne jemanden zu beleidigen.
Beide Bands sorgen von zwei Seiten für die Auflösung desselben Popanzes Rock. Und ihr gemeinsames Label Skin Graft wird genau dafür seit einiger Zeit ausufernd gelobt. Da ist wohl auch egal, wie man es nennt, wenn man unter der Prämisse musiziert, daß Rockmusik keine Zukunft mehr hat und nur noch das intellektuelle Spielchen bleibt, was man mit den Überresten so an Trockensträußen stecken kann. Man kann es natürlich auch existenzialistischer betrachten: Wenn man als alter Rockist die Modernisierungversuche mit Country oder Techno schon durch hat, bleibt es höchstwahrscheinlich das einzige, was man sich noch reintun kann, ohne gleichzeitig schamrot zu werden. Thomas Winkler
Morgen, 20.30 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
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