Der Bewegungsfreiheit einen Schritt näher

■ Neue Autokennzeichen in Bosnien verraten nichts über den Herkunftsort der Fahrzeuge

Sarajevo (taz) – Als der Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, der Amerikaner Jacques Klein, die neuen Nummernschilder für Bosnien-Herzegowina in die Höhe hielt, gab es bei Passanten in Sarajevo nur lachende Gesichter. Denn mit den neuen Autokennzeichen wird mehr als zwei Jahre nach Kriegsende die längst versprochene Bewegungsfreiheit für alle Bürger des Landes tatsächlich durchgesetzt.

Was auf den ersten Blick als unbedeutende Nachricht erscheint, entpuppt sich also in Wirklichkeit als eine hochpolitische Angelegenheit. Denn mit den neuen Nummernschilder kann niemand mehr erkennen, woher die Insassen eines Fahrzeuges stammen, ob sie nun Kroaten, Serben oder Bosniaken sind. „Jetzt kann ich sogar nach Srebrenica fahren, ohne Angst zu haben, daß Steine geschmissen werden“, sagt ein Flüchtling aus Ostbosnien, der sich gestern als einer der ersten die neuen Schilder abholte. Vor allem für die Vertriebenen bedeuten die neuen Kennzeichen eine Sicherheit, wenn sie an ihre ursprünglichen Heimatorte fahren wollen.

Bisher gab es für die Autos in den kroatischen, serbischen und muslimisch dominierten Gebieten drei unterschiedliche Kennzeichen. Zwar trauten sich schon im vergangenen Jahr immer mehr Menschen, aus dem einen in das andere Gebiet zu fahren. Ein Rest von Angst blieb jedoch immer bestehen. So nahmen beispielweise die meisten Bosniaken aus der ostbosnischen Stadt Tuzla große Umwege in Kauf, um nicht über das serbisch kontrollierte Gebiet bei Doboj fahren zu müssen, wenn sie in die zentralbosnische Stadt Zenica oder an die kroatische Küste wollten. Vor allem Frauen und ehemalige Soldaten scheuten die möglichen Kontrollen durch serbische Polizisten. Umgekehrt wagten sich nur wenige Autofahrer mit serbischen Kennzeichen nach Sarajevo.

Das wird jetzt anders. Denn das System ist intelligent angelegt. Die Aufschrift der neuen Schilder besteht aus sechs Zahlen und einem von sechs Buchstaben, die im kyrillischen und im lateinischen Alphabet gleich sind. Hinweise auf Städte und Regionen gibt es nicht. Die Herkunft der Fahrer ist nur über einen Zentralcomputer feststellbar. Um den Prozeß des Umtausches zu beschleunigen, sind Fristen gesetzt: bis zum 1. März kostet die Operation 15 Mark, danach wird es teurer. Ab 31. Juli sind alte Schilder illegal.

Nur bei den Extremisten in der serbischen Republik gab es negative Reaktionen. Der serbische Vertreter im Staatspräsidium, Momčilo Krajišnik, sprach von „unnötigen Maßnahmen“ und von einem „Souveränitätsverlust für die Republika Srpska“. Bei Umfragen in Banja Luka jedoch sprach sich der größte Teil der serbischen Bevölkerung, vor allem aber Geschäftsleute und Fahrer von Lastkraftwagen, für die neuen Kennzeichen aus. „Jetzt können wir endlich überall hinfahren.“

In der kroatisch dominierten Westherzegowina hingegen läßt die Begeisterung zu wünschen übrig. Denn dort besitzt die kroatische Bevölkerung Pässe der Republik Kroatien, die Autokennzeichen sind von jenen in Kroatien kaum zu unterscheiden. Der kroatische Paß berechtigt zur visafreien Einreise in die EU-Länder. So hofft die Bevölkerung in der Westherzegowina und in Westmostar jetzt, daß die neuen bosnischen Pässe und die Autokennzeichen ebensoviel wert sein werden wie die kroatischen. Erich Rathfelder