: Kompromiß um den Superphénix
20 Milliarden Mark Kosten für einen Atomreaktor: Der große Brüter im Rhônetal wird endgültig stillgelegt, der kleinere Phénix wird noch einmal restauriert ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Über 20 Jahre nach seinem Baubeginn soll der Superphénix, Frankreichs teuerste und zugleich ruinöseste Industrieanlage, jetzt abgebaut werden. Das hat am Montag abend in Paris nach monatelangen kabinettsinternen Divergenzen und Demonstrationen auf der Straße ein Ministerkomitee entschieden. Gleichzeitig mit der Abschaltung des Superphénix soll der noch ältere und noch gefährlichere „Phönix“ wieder in Betrieb genommen werden – für Forschungszwecke.
Die Region rund um Creys- Malville bei Lyon, wo die Arbeit von etwa 1.300 Menschen direkt oder indirekt vom Superphénix abhängt, soll eine Finanzspritze in Höhe von 50 Millionen Francs (etwa 15 Millionen Mark) bekommen. Zusätzlich 500 Millionen Francs sollen landesweit in die Entwicklung erneuerbarer Energien gehen.
Das Aus für den Superphénix ist ein politischer Balanceakt erster Güte. Premierminister Lionel Jospin hat damit einerseits ein Wahlversprechen an seine grünen Koalitionspartner eingelöst. Andererseits hat er die Atombefürworter in seinem Kabinett, darunter Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn sowie die kommunistischen Minister, bedient. Ihnen bot er einen Ausgleich in Form des Phénix. Jener zwölf Jahre vor dem Superphénix in Betrieb gegangenen Brutreaktor im Gebiet Gard steht seit zwei Jahren still. Jetzt soll er mit Hilfe einer Investition von 600 Millionen Francs auf Vordermann gebracht werden, um die Forschung über Trennung und Wiederaufarbeitung von Atommüll sicherzustellen.
Die Demontage des Superphénix, dessen 12 Betriebsjahre vor allem Störfalljahre waren, soll 2005 beginnen und in den 20er Jahren des nächsten Jahrhunderts abgeschlossen sein. Zuvor muß der Reaktorkern entleert und müssen die 4.500 Tonnen Flüssignatrium- Kühlmittel entsorgt werden. Zusätzlich zu den bis zum Jahr 1995 vom Superphénix verschlungenen 34,4 Milliarden Francs, die der französische Rechnungshof ermittelte, entstehen damit Gesamtkosten, die sich nach jetztigen Kalkulationen auf über 60 Milliarden Francs belaufen werden.
Der Superphénix ist in den 70er Jahren von mehreren großen Stromversorgern für die Energiemärkte der Zukunft konzipiert worden. Seinen Betreiber waren zu 51 Prozent die französische EDF, zu 33 Prozent die italienische Enel und zu 16 Prozent ein Konsortium aus deutschen, britischen, belgischen und niederländischen Energiekonzernen. Der Superphénix hat eine theoretische Leistung 1.200 Megawatt. Er war an nur 287 Tagen in Betrieb und erzeugte rund acht Milliarden Kilowattstunden Strom, wovon er allerdings selbst wieder sechs Milliarden verschlang.
Die Widersacher der Schnellen- Brüter-Technik haben in ihrer Kritik nie nachgelassen. Auch wenn sie damit im Atomstaat Frankreich bis zu der Katastrophe von Tschernobyl auf ziemlich einsamem Posten standen. Seither hat sich das Blatt zu ihren Gunsten gewendet.
Während gestern die kommunistennahe Gewerkschaft CGT, die die meisten Atomarbeiter repräsentiert und die wesentliche gesellschaftliche Stütze der Atomindustrie ist, im Pariser Interconti-Hotel lauthals ihre Empörung über die Stillegung kundtat, herrschten bei den Atomkraftgegnern zurückhaltendere Töne vor. „Ein Ausstieg aus der Brütertechnologie dauert sehr, sehr lange“, sagte Philippe Brousse, Sprecher der „Europäer gegen den Superphénix“ in Lyon. „Wir müssen wachsam bleiben, damit nicht eine neue Regierung eine Kehrtwendung macht.“
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