: Beschwörung der Gemeinschaft
■ Tocotronic und Fettes Brot geben ein Soli-Konzert für die Organisation „SOS“zur Unterstützung afrikanischer Studenten
Nein, Tocotronic sind keine Protestband. Zumindest keine gewöhnliche. Ihre Texte kreisen oft in schöner Weltverlorenheit um die Vereinsamung des Individuums – um im letzten Moment dann doch noch mal sowas wie Gemeinschaft zu beschwören. Da stehen die Hamburger in einer Reihe mit Neil Young, der ja immer häufiger aus ihrem GitarrenNoise herausklingt. Es ist egal, aber lautet der Titel ihres letzten Albums. Man könnte verzweifeln – aber auch etwas dagegen tun. Vielleicht ist es deshalb nicht ganz unpassend, daß Tocotronic morgen auf einem Solidaritätskonzert für die Studentenorganisation SOS spielen. Nicht alleine übrigens, sondern mit Fettes Brot, jenen enorm erfolgreichen Chart-Hoppern, die bis jetzt frei vom Verdacht des politischen Anspruchs rumgezotet haben.
Keine Frage, das Programm der Benefiz-Veranstaltung steht erstmal nicht im Verhältnis zu den Inhalten, die vermittelt werden sollen. Aber irgendwie muß man die Menschen ja erreichen, und die beiden sympathischen Megaseller aus Hamburg dienen da als ein gutes Mittel zum Zweck. Es geht um Entwicklung durch Demokratie und Menschenrechte in Afrika. SOS ist eine Organisation, die progressiven Studentenvereinigungen des Kontinents in ihrem Kampf für die Veränderung der Gesellschaft unterstützt.
Was als Anliegen ersteinmal unkonkret klingt, zeitigt schon konkrete Einrichtungen. So wird zum einen in Südafrika ein Projekt unterstützt, in dem aus anderen afrikanischen Staaten emigrierte Studenten Unterstützung und Ausbildung erhalten sollen, zum anderen wird Ende des Jahres eine Konferenz stattfinden, auf der die Hindernisse beim demokratischen Umbruch auf dem afrikanischen Kontinent debattiert werden sollen. Der Titel dieser Veranstaltung ist mit „Die Werte einer zukünftigen progressiven afrikanischen Elite“etwas problematisch formuliert, schon weil „Elite“in einer interkulturell ausgerichteten Diskussion etwas befremdlich wirkt. Hoffen wir also, daß zwischen den lustigen Hits von Fettes Brot und Tocotronics traurigen Hymnen noch genug Zeit für dringend nötige Erklärungen bleibt.
Christian Buß
Morgen, 20 Uhr, Fabrik
Das Konzert ist ausverkauft.
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