: Poker um Gewerbeflächen
■ Die SPD erwägt den Rückzieher beim Büropark Oberneuland / Häuslebau statt Büros im Landschaftsschutzgebiet?
„Die Grünen haben dazugelernt. Das kann die SPD auch“, hoffen die Mitglieder des Oberneulander Vereins „Meta Rödiger“. Der hat sich im Gedenken an die Oberneulander Bauersfrau Rödiger vor zwei Wochen gegründet, um deren letzten Willen zeitgemäß durchzusetzen. Das Gelände, auf dem bis vor kurzem höchstens Traktoren fuhren, soll als Grün- und Heckenlandschaft erhalten bleiben; die Forderung „Kein Büropark in der Vahr“will die Anwohnervereinigung notfalls per Anwalt und Baugesetz durchfechten, aber lieber noch mit der politischen Unterstützung der SPD – gegen die Pläne in Bau- und Wirtschaftsbehörde. Für die Umweltbehörde wiederholte gestern Staatsrat Fritz Logemann fast formelhaft: „Wir geben das Gelände nicht gerne preis.“
Entsprechend nachdenklich erschienen gestern die SPD-Abgeordneten beim „Stadtteiltag“der Bürgerschaftsfraktion in Oberneuland. Es dominierte der Zweifel, ob für hochgerechnet 240.000 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen auch ausreichend Nachfrage besteht. SPD-intern wird die Planung für den Büropark, die schon aus Ampelzeiten stammt, als Gigantomanie der 60er Jahre kritisiert, wie sie das Haus des Wirtschaftssenators noch immer betreibe. Aber die Zeiten hätten sich geändert. Die bisherige Planung, obwohl in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, müsse überprüft werden. „Dafür setze ich mich persönlich ein“, versicherte gestern der Unterbezirksvorsitzende und Bundestags-Aspirant Wolfgang Grotheer. Statt des Büro-Gewerbeparks könne auch Wohnbebauung attraktiv sein. Allerdings verwies er darauf, daß der Vorstand dies bereits einmal abgelehnt hat.
Für einen Kurswechsel werden die Sozialdemokraten sich sputen müssen. Im März tagt die Baudeputation. Dort soll die Bürobebauung festgeklopft werden; nach der Aufhebung des Landschaftsschutzes könnten die Bagger das Gelände dann bald erschließen. Schon im Dezember haben die Wirtschaftsförderausschüsse – mit SPD-Zustimmung – dafür rund 15 Millionen Mark bewilligt.
Daß bei dieser Sitzung erstmals auch Entwürfe kursierten, die einen Hochhaus-Neubau direkt an der Autobahnabfahrt Vahr „als Option“vorsehen, alarmiert KritikerInnen zusätzlich. Mißtrauisch betrachten sie auch das Straßennetz, das das Gebiet zwischen Achterdiek Park, Richard Boljahn-Allee und Rockwinkeler Landstraße verbindet. „Die Fahrbahnen werden vierspurig ausgebaut. Man muß sich die Pläne nur anschauen. Es sollen doch 5.000 Arbeitsplätze kommen“, sagt Vereins-Aktivist Helmut Schamberger. Wachsenden Schleichverkehr befürchtet auch der SPD-Beiratssprecher aus der benachbarten Vahr. Dies – zusätzlich zum Verlust des Naherhohlungsgebiets – sei schlimm, zumal die Bremer Straßenbahn AG eine Straßenbahnlinie zum geplanten Büropark als nicht wirtschaftlich ablehnt.
„Das ist doch alles keine Stadtplanung“wettert auch der Bremer Landschaftsarchitekt Kurt Reschke – mit Rückendeckung der Bremer Architektenkammer, die der Planung „jeglichen gesamtstädtischen Zusammenhang“abspricht. „Das Ausufern der städtebaulichen Entwicklung ist falsch“, lautet die Stellungnahme im Deutschen Architektenblatt vom Dezember letzten Jahres. Dies gelte umso mehr, als ein gesicherter Nutzen durch die Erschließung nicht absehbar sei.
Als Beleg dafür, daß die Erschließung des Grünlands nur fragwürdigen Nutzen haben wird, wird der letzte „Büromarkt-Report der Wirtschaftsförderungsgesellschaft herangezogen. Unter 70.000 Quadratmetern Leerstand in Bremen gebe es auch nennenswerten Neubestand, heißt es. Außerdem prognostizierten Studien renommierter Institute, daß der Bedarf an Bürofläche wegen Telearbeit zu Hause drastisch sinken werde. Wie im Hollerland rede die Wirtschaftsbehörde den Bedarf an Gewerbefläche herbei. ede
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