■ Kommentar: Ein Bild fügt sich
Allein das lange Zögern hat deutlich gemacht, wie ungern sich Innensenator Jörg Schönbohm in die Pflicht nehmen ließ. Nun wird er also doch einer der stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU. Aufatmen darf der Regierende Bürgermeister Diepgen, der nicht zu Unrecht mutmaßen durfte, das öffentlich zur Schau getragene Desinteresse Schönbohms an einer herausgehobenen Parteifunktion sei mehr als Bescheidenheit. Schönbohm weiß viel zu gut, daß er im Korsett der Parteifunktion deutlich an Bewegungsspielraum verlieren wird, um sich als Alternative zu Diepgen aufzubauen.
Andererseits wird seine Wahl voraussichtlich die Auseinandersetzungen in der CDU verschärfen. Immer deutlicher wird, daß Schönbohm nicht nur der ebenso pragmatische wie diskursfähige Großstadtpolitiker ist, sondern daß sich hinter seiner zuweilen erfrischenden Offenheit ein ideologisches Konzept einer konservativen Wende abzeichnet. Im vergangenen Jahr war es ein Aufsatz, in dem er sich um die deutsche Identität sorgte, nun folgt eine Laudatio bei der Neuen Rechten. Ausreißer sind das nicht, hier fügt sich vielmehr die Sichtweise einer auf neuem Nationalbewußtsein gegründeten „Berliner Republik“.
Dem rechten Flügel der Berliner CDU ist dies längst nicht mehr verborgen. Für sie ist Schönbohm ihr Kandidat für einen konservativen Ruck in der CDU. Seine Wahl zum Stellvertreter des Landesvorsitzenden legitimiert dieses rechte Gedankengut. Eberhard Diepgen mag kurzfristig einen Konkurrenten um seine Nachfolge eingebunden haben; für die künftige Auseinandersetzung um den Kurs der Partei aber ist ein mit Amtswürden versehener Jörg Schönbohm noch gefährlicher geworden. Gerd Nowakowski
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