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„Mit den Augen schmecken“

Ob Arrangieren, Fotografieren oder Beschreiben – FoodjournalistInnen machen ihre Kochleidenschaft zur Profession  ■ Von Ilonka Boltze

Antje Küthe runzelt die Stirn. „Ausreißer“, schimpft sie leise und zupft mit einer großen Pinzette am Basilikumblatt auf den Lammkoteletts. Mit einem kleinen Dreh hat sie das Grünzeug vorm Umkippen bewahrt – das Mahl steht bereit. Nicht zum Verzehr, sondern als Titelmotiv einer Hamburger Kochzeitschrift. Während Martina Urban in ihrem Winterhuder Studio das fleischlastige Fotomodell schon mal ausleuchtet, tupft Antje Küthe mit einem breiten Pinsel immer wieder Fett nach, damit Perlzwiebeln und Röstkartoffeln unter den Scheinwerfern nicht schrumpeln.

FoodstylistIn, FoodfotografIn, Foodjournalistin – Essen ist ein beachtliches Thema in der Medienbranche. Ein knappes Dutzend Kochzeitschriften wird allein in Hamburgs Verlagen produziert, zusätzlich gehen ständig neue Kochbücher in Druck – ein Arbeitsfeld für Kochprofis, die meist freiberuflich arbeiten.

Martina Urban hat sich vor fünf Jahren als Foodfotografin selbständig gemacht. „Mich faszinieren Stilleben und Arrangements“, erzählt die agile Marburgerin. „Mit Licht so zu arbeiten, daß die Dinge ein eigenes Leben bekommen, das ist eine Herausforderung“, sagt die 37jährige und greift zum Bund Spargel fürs nächste Stilleben. Antje Küthe hat ihren Job als Hauswirtschaftsleiterin schon vor Jahren an den Nagel gehängt, um als Food-stylistin Magenfüllendes zum ästhetischen Objekt zu machen. Das bedeutet für die 46jährige nicht nur minutiöse Feinarbeit im Kampf mit Karotten und Co., sondern auch sicheres Geschmacksempfinden bei der Frage, ob beispielsweise Lammkoteletts auf Bauerntellern ein visuelles Fiasko verursachen.

Ob Arrangieren, Fotografieren oder Beschreiben – meist sind es Frauen, die ihre Passion für die Zubereitung von Eß- und Trinkbarem zum Beruf gemacht haben. Typisch weiblich? „Ich betrachte mich als Feministin“, sagt Karen Schulz kategorisch. Die 28jährige, die vor kurzem ihr Germanistikstudium beendet hat, arbeitet als freie Foodjournalistin in der Redaktion einer Kochzeitschrift. „Mit traditionellen Rollenklischees hat unsere Arbeit wenig zu tun.“Schließlich gehe es nicht darum, „Frauen wieder für heimische ,Pflichten'“zu gewinnen, sondern „die Zubereitung von Speisen als Lebenskultur zu vermitteln“.

Da kann ihre Kollegin Stefanie Olbertz nur nicken: „Was wir mit unseren bunten Rezepten bieten, sind Ideen, die die Sinne anregen sollen, unabhängig, ob sie umgesetzt werden oder nicht. So wird kompensiert, was im Alltag fehlt – Lebensqualität.“

Neben ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften arbeitet Stefanie Olbertz als redaktionelle Assistentin bei einer Kochzeitschrift, freiberuflich versteht sich – Urlaub oder Ausfall durch Krankheit kann sie sich kaum leisten. Um finanziell über die Runden zu kommen, assistiert sie gelegentlich dem Chefkoch einer Fernsehsendung und schreibt an Kochbüchern mit. „Berufliche und private Interessen verschwimmen in unserer Branche“, erklärt die 30jährige. „Wer gute Ideen entwickeln will, muß über den Tellerrand hinausblicken und experimentieren – und wenn das nach Feierabend ist.“Glücklich, wer da, wie Olbertz, Freunde hat, die „am Wochenende die Vorkoster für ausgefallene Sachen“spielen. „Aber ich kann auch mit den Augen ,schmecken'.“

Der Weg in die Foodmedien ist mühselig, eine anerkannte Ausbildung gibt es nicht, und gut kochen und schreiben zu können sichert noch keinen Job. Ein Fachhochschulstudium der Ökotrophologie verleiht ernährungswissenschaftliches Fachwissen für die Rezeptentwicklung und ist bei den Foodmedien gern gesehen. Wer als Köchin oder wie Stefanie Olbertz im Hotelfach gearbeitet hat, kann praktisches Rüstzeug vorweisen. Ein geisteswissenschaftliches Studium gilt zudem als Garant für Ausdrucksvermögen.

Eine Eintrittskarte ist dies aber noch lange nicht: „Ohne Praktika ist hier kaum etwas zu machen“, seufzt Karen Schulz. „Auch bei Festanstellungen haben wir im Moment schlechte Karten, aber wer für sein Leben gern mit Essen experimentiert, der nimmt auch das in Kauf.“

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