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OS – Zwei verlorene Jahre?

■ Aus dem niedersächsischen Wahlkampf kommt die Debatte um die „Orientierungsstufe“neu nach Bremen: Verfechter wurden inzwischen zu Gegnern

„Sozialdemokraten in der Defensive“, „Zwei Jahrzehnte in der Kritik der Eltern“– in Niedersachsen macht die Debatte um die Orientierungsstufe (OS) Schlagzeilen. Das Thema scheint in Bremen bisher nicht angekommen, der CDU-Bildungspolitiker Klaus Bürger verweist auf ein Hearing von 1994, die AfB auf ihr Wahlprogramm.

Doch der Eindruck täuscht. Das hat verschiedene Gründe. In Reaktion auf eine weltweite OECD-Untersuchung hat die Kultusministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Leistungsfähigkeit der OS überprüfen soll, erklärt die zuständige Bremer Schulrätin Ursula Helmke. In Bremen wird ein neuer Kopf auf der politischen Bühne das Thema neu aufgreifen, der noch nicht durch die immer wieder vergeblich vorgebrachten Argumente frustriert ist: Dr. Gerold Fuchs, frisch eingewechselter Bürgerschaftsabgeordneter der AfB. Fuchs weiß, wovon er spricht: „Ich war voller Elan für die Gesamtschule, deswegen bin ich 1968 in die SPD eingetreten“, sagt er. Und dann war er vier Jahre lang als Lehrer in einer Gesamtschule und acht Jahre lang in der Schulleitung einer Sekundarstufe I, zu der die OS gehört. Schließlich wurde er ein scharfer Kritiker der Idee, Kinder ließen sich auch noch in dem Alter von 10-12 Jahren zum gegenseitigen Vorteil gemeinsam unterrichten – Fuchs war Mittelstufen-Koordinator am Gymnasium Vegesack, bevor er jetzt in die Bürgerschaft nachrückte.

Die pädagogischen Argumente sind dieselben, die schon 1994 auf dem CDU-Hearing vorgetragen wurden: Die Idee der „Binnendifferenzierung“in einer Klasse ist „eine Illusion“, sagt Fuchs, „die Wirklichkeit sieht anders aus“. Die Jahre vor der Pubertät seien „die besten Jahre in der Schule“, hier seien die Kinder noch lerneifrig – wenn sie denn gefordert werden. Und wenn sie eine Bezugsperson haben, die sie motiviert: „Die Schüler lernen immer für den Lehrer, der Kontakt ist entscheidend.“

In der OS aber würden die einen unter- und die anderen überfordert. Seine Erfahrung in Vegesack, wo das Gymnasium 1991 von der FDP für zwei Klassen durchgesetzt wurde und derzeit locker Anmeldungen für vier hat: Die Eltern und auch die Kinder wollen nach diesen beiden Jahren „endlich raus aus der OS“. Manchmal ist es da aber schon zu spät, die „Leistungsbereitschaft der Hochbegabten“, sagt der Pädagoge, habe manchmal unter den zwei Jahren gelitten, in denen die zehn- und elfjährigen erfahren haben, daß sie sowieso alles können und die besten sind und sich nachmittags nicht ernsthaft für das Lernen anstrengen müssen.

In der Bremer Bildungsbehörde sind diese Kritik-Punkte seit Jahren bekannt. Nicht alle LehrerInnen können „binnendifferenziert“in einer Klasse drei Lerngruppen betreuen, erklärt die Schulrätin Helmke, insbesondere der Einstellungsstop begrenze den Reformeifer in den Kollegien. Aber es gebe an manchen Standorten inzwischen Klassen von 18-20 Kindern in der OS, und in der Flämischen Straße auch ein Modell der Differenzierung der OS-Klassen nach Leistungsniveaus – „das macht sich sehr gut“. Das Gegenmodell, gemeinsamer klassenübergreifender Unterricht für die 5. und 6.Klasse, findet an der Hermannsburg statt, im Sommer sollen die Experimente ausgewertet werden, so hat es die Koalition als Kompromiß zwischen der CDU-Forderung nach Abschaffung der OS und der SPD-Position, die darin ein kleines Stück Gesamtschule für alle sieht, beschlossen.

Einen bundesweiten Vergleich der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Modelle für die 5. und 6. Klasse gibt es nicht. Wenn man nicht nur die kognitive Leistung abprüfen will, wäre das auch sehr schwer. „Wir wollen doch nichts ändern in der Orientierungsstufe, warum sollten wir ein Gutachten in Auftrag geben“, sagt der Sprecher des niedersächsischen Kultusministers klipp und klar. Nicht einmal über die Frage, ob zwischen den Pronosen der LehrerInnen am Ende der 4. Klasse und denen am Ende der 6. Klasse große Unterschiede bestehen, gibt es einen seriösen Vergleich. Erstens halten sich die Eltern doch oft nicht an die Empfehlungen – was die Lehrer frustriert –, klagt die Schulrätin, zweitens ist die „Prognosefähigkeit“der Lehrpersonen auch sehr unterschiedlich. Die Hannoveraner Allgemeine Zeitung führte jüngst eine Abiturientin in den Wahlkampf ein, die am Ende der OS empfohlen bekommen hatte, auf die Hauptschule zu gehen. Aber da gibt es natürlich auch die Gegenbeispiele.

So dreht sich der Schulstreit zwischen den sehr subjektiv geprägten Eltern-Erwartungen und den Partei-Positionen im Kreise – „aber der Trend geht eindeutig zum Gymnasium“, sagt der neue AfB-Politiker Fuchs. Die AfB will noch in diesem Halbjahr eine politische Initiative beginnen und dieses Reststück sozialdemokratischer Schulreform offensiv angreifen. K.W.

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