■ Vorschlag: Elvis, hör auf zu weinen! Das Musical zum King in der Freien Volksbühne
Er gibt sich wirklich Mühe. Er schwitzt fast wie der echte, er singt wahrlich nicht schlecht, und auch sein Hüftgeschlenker hat was. Auf der nach oben offenen Skala der Elvis-Imitatoren verdient sich der Italo-Amerikaner Mark Janicello gute sieben oder acht Punkte. Aber ein Imitat ist eben immer nur ein Imitat, und Elvis, das Original, hatte eben doch mehr Glanz auf dem Anzug, Schwung im Schritt und Öl in der Stimme und im Haar, als man es an diesem Abend in der Freien Volksbühne vorgeführt bekommt.
Es ist schon seltsam, daß Elvis, obwohl sie dabei nur verlieren können, doch immer wieder neue Epigonen herausfordert. Nicht weniger als „The Biography“ verspricht nun das Musical „Elvis“, eine so handgeklöppelte, schülertheaterhafte Zusammenstellung von Klischeebildern und Ungeschicklichkeiten, daß man es ohne Schmerzen nicht betrachten kann. Es recycelt die längst zur Legende geronnene Geschichte vom tumben Sohn armer Leute, der von seinem geldgierigen Manager Colonel Parker so lange ausgebeutet und in miese Rollen schlechter Filme gezwungen wird, bis aus dem Jüngling das Pillenwrack geworden ist.
Elvis spricht Deutsch mit amerikanischem Akzent, sagt immerzu „Yes Sir“ und wirft sich nach dem Tod seiner Mutter Gladys weinend auf den Boden. „Elvis, hör auf zu weinen“, sagt dann der böse Colonel, und Elvis erhebt sich und singt „Don't be cruel“. Das greift vorübergehend durchaus ans Herz, aber daß im hessischen Bad Nauheim bayerische Lederhosenträger Schuhplattler tanzen, geht wirklich zu weit. Priscilla erscheint im rosa Rüschenkleidchen (wie auch Gladys, schlecht gespielt und schön gesungen von Kati Schober). Man küßt sich, man heiratet, aber dann wird's mit der Ehe erwartungsgemäß schwierig, und Elvis trägt seine fiese Brille.
Über die Inszenierung von Anna Vaughan deckt man am besten den Mantel des Schweigens. Wie heißt es in einem der grob geschnitzten Dialoge: „Was braucht Elvis schon: Ein paar Songs, eine kleine Story und ein paar hübsche Mädchen.“ Dem Elvis-Imitator Mark Janicello geht's da nicht anders. Entschieden zu widersprechen wäre allerdings der vom Colonel sarkastisch vorgetragenen Meinung, daß es schlimmer ist, in schlechten Filmen spielen zu müssen, als sie anzusehen. Ein derart abgrundtief naives Musicalstückchen zu betrachten ist auch nicht das pure Vergnügen. Jörg Magenau
Bis 8.3., täglich außer montags 20 Uhr. Freie Volksbühne, Schaperstr. 24
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