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Psychologen proben Aufbruch in Schulautonomie

■ Trotz Stellenkürzungen blieben Schulpsycholgen und Lehrer bei einer Tagung optimistisch. Zusammenarbeit mit Wirtschaft soll verstärkt, soziale Kompetenz der Schüler gefördert werden

Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) nennt es „Schule in erweiterter Verantwortung“, die Bündnisgrünen rufen gar nach „Schulautonomie“ und wollen das Schulgesetz ändern. Einigkeit besteht darin, daß Berlins Schulen künftig mehr Eigenverantwortung bekommen sollen. An den Schulen selbst herrscht über diese Entwicklung indes nicht nur Freude: Angesichts knapper Kassen läuft diese Entwicklung darauf hinaus, so fürchten viele, die Schulen mit der Finanznot allein zu lassen.

Eine ganz andere Stimmung herrschte am Wochenende in der Kreuzberger Kirche Zum Heiligen Kreuz. Dort haben rund 260 SchulpsychologInnen und LehrerInnen auf einer Konferenz unter dem Titel „Der Maulwurf lernt fliegen“ Konzepte zur Unterstützung der Schulen auf dem Weg in ihre neugewonnene Freiheit diskutiert. Obwohl der Schulpsychologische Dienst in den letzten drei Jahren von 142 auf 109 Planstellen abspecken mußte, herrschte Aufbruchstimmung.

Bewußt haben haben die VeranstalterInnen keine FunktionsträgerInnen aus Politik und Verwaltung eingeladen, betonte der Organisationspsychologe Reinhard Frommann. Selbst die Schulsenatorin durfte keine Rede halten. Den „kreativen Möglichkeiten, sich dem Thema zu nähern“, sollte nach der Methode des „Open Space“ keine Grenzen gesetzt sein. „Wir haben dieses Wochenende Autonomie und Selbstverantwortung gelebt“, freute sich Frommann. „Ein Hauptabteilungsleiter würde hier wahnsinnig werden“, meinte er, „er hätte ein Gefühl von Kontrollverlust.“

Auf den ersten Blick mag es erstaunen, daß eines der Hauptanliegen der PsychologInnen eine stärkere Vernetzung zwischen Schule und Wirtschaft war — jenseits des derzeit heißdiskutierten Themas Werbung in der Schule. Dabei gehe aber die ständige Klage von Verbandsvertretern über mangelnde fachliche Leistungen der SchulabsolventInnen an den eigentlichen Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei, sagte Frommann, der selbst für die Industrie arbeitet. Statt einer Rückkehr zu Faktenvermittlung im Frontalunterricht müßten die sozialen Fähigkeiten der SchülerInnen gestärkt werden.

Das wird freilich immer schwieriger: Andere TeilnehmerInnen wiesen darauf hin, daß immer mehr Kinder mit Kommunikationsstörungen in die Schule kommen. Man dürfe die Schule nicht „mit der Gesamtentwicklung der Kinder überfrachten“.

Die KongreßteilnehmerInnen wollen jetzt in 24 thematischen Gruppen weiterarbeiten, die sich neben der Kooperation von Schule und Wirtschaft unter anderem mit Gewaltprävention oder der Gründung von Runden Tischen zur Schulentwicklung in Wedding und Kreuzberg beschäftigen wollen. Ein Büro mit dem Namen „Der Maulwurf fliegt“ soll die Aktivitäten koordinieren und die Ergebnisse der Senatverwaltung präsentieren. Ralph Bollmann

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