: Proteste erst, wenn es kracht
■ Große Demos wie 1991 gegen einen Militärschlag am Golf sind nicht zu erwarten
Am 13. Januar 1991, drei Tage vor Ablauf des Ultimatums der USA gegen den Irak, versammelten sich 100.000 BerlinerInnen, um gegen die Eskalation des Golfkonflikts zu demonstrieren. Der Protest formierte sich über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg und belebte die schon todgeglaubte Friedensbewegung wieder. Doch heute wartet man auf einen Aufschrei der Entrüstung vergebens, obwohl erneut die militärische Auseinandersetzung am Golf droht. Demonstrationen im Vorfeld gibt es überhaupt nicht, lediglich für den „Tag X“ einer eventuellen Bombadierung des Irak, ist eine Aktion geplant. Die Friedenskoordination, ein Zusammenschluß mehrerer Friedensgruppen, ruft für jenen Tag um 18 Uhr zu einer Mahnwache an der Gedächniskirche auf.
„Wieviel Menschen teilnehmen werden, kann und will ich nicht schätzen“, sagt Laura von Wimmersperg, Leiterin der Initiative. Es sei schwierig, die Menschen zu mobilisieren. Probleme, wie Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit seien den Bürgern derzeit näher. So konzentrieren sich selbst traditionelle Unterstützer der Antikriegsbewegung eher auf ihre originären Themen.
Die Studentenvertretungen beispielsweise sind derzeit in erster Linie bemüht, die Proteste für eine Uni-Reform bis zur Bundestagswahl aufrechtzuerhalten. Auch die Parteien halten sich zurück. Im Falle einer Eskalation des Konflikts würden auch sie die Friedensbewegung unterstützen. Nur im Moment sei die Lage schwer zu durchschauen. „Drohung der USA, ein bißchen Nachgeben von Saddam; man hat den Eindruck, es tut sich nicht viel“, sagt Heiko Mau von den Jusos.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Jens-Peter Steffen, Sprecher der Vereinigung Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkriegs: „Es ist schwer, die Menschen für langzeitige präventive Aktionen zu gewinnen.“ Gab es 1991 noch ein eindeutiges Ultimatum der USA, ist das sieben Jahre später nicht mehr der Fall. Man wartet lieber ab. „Erst wenn es richtig kracht“ rechnen die Friedensbewegten mit einer breiten Unterstützung der Bevölkerung. Peter Kasza
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen