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Kein roter Teppich für Daniel Cohn-Bendit

Der Sonderberichterstatter des Europaparlaments wird in Algerien kühl empfangen. Die Staatsführung verbittet sich Einmischungen in „innere Angelegenheiten“. Besuche von Massakerstätten sind tabu  ■ Aus Algier Reiner Wandler

„Guten Tag, wir sind Europa“ titelte gestern die algerische Tageszeitung Le Matin, darunter ein Archivfoto eines verlegen grinsenden Daniel Cohn-Bendit. „Danie le rouge“, wie ihn die Franzosen einst tauften, ist auch in Algerien ein Begriff, mehr noch, seit er vom Europaparlament zum Sonderberichterstatter für das nordafrikanische Krisenland ernannt wurde. Gestern betrat er mit einer Delegation des Europaparlaments algerischen Boden. Die neun Vertreter unterschiedlicher Parteien sollen sich in den nächsten fünf Tagen ein Bild über die Lage des Landes machen. Auf dieser Grundlage muß dann Daniel Cohn Bendit eine Empfehlung an die EU-Kommission abgeben, bevor diese anschließend ein Assozierungsabkommen zwischen Brüssel und Algier unterzeichnet.

Die Ankunft der Europäer fiel zusammen mit dem sechsten Tag der Ausrufung des Ausnahmezustandes durch die Militärs, die 1992 die ersten freien Wahlen des Landes abbrachen und die siegreiche Islamische Heilsfront (FIS) verboten. Doch auch die Delegation wird weder Licht ins Dunkel des Konfliktes bringen, noch wird sie zu einer politischen Lösung beitragen können.

Außenminister Ahmad Attaf stellte von vornherein klar, daß es sich um „einen rein institutionellen Besuch“ zwischen zwei demokratisch gewählten Volksvertretungen und um keine „internationale Untersuchungskommission“ handele. Unter dem Hinweis, die Regierung werde keine „Einmischungen in innere Angelegenheiten“ dulden, wurde die Anfrage der Besucher, in die Massakergebiete reisen zu dürfen, abschlägig beschieden. Ebenso wenig genehmigt die Regierung, Cohn-Bendits Wunsch, mit dem unter Hausarrest gestellten FIS-Führer Abassi Madani zu sprechen.

Das Besuchsprogramm beschränkt sich somit auf einen Empfang durch Außenminister Attaf und die Präsidenten der beiden algerischen Parlamentskammern. Außerdem werden sich die europäischen Gäste in Algier mit Abgeordneten aller im Parlament vertretenen Parteien sowie Journalisten und Vertretern der algerischen Liga für Menschenrechte (LADH) treffen.

„Wir können nicht mit Maximalforderungen auf Reisen gehen, das würde die Mission gefährden“, hatte der Leiter der EU-Delegation, André Soulierer im Vorfeld seine Kollegen gewarnt. Eine Reise zu den vom Terror betroffenen Menschen hält der französische Konservative für ebenso unnötig wie Kontakte zu der verbotenen FIS. Daran überhaupt zu denken sei „eindeutig eine Verletzung des Willens der algerischen Regierung“. Die harschen Worte sind vor allem an den stellvertretenden Delegationsleiter, den österreichische Sozialisten Hannes Swoboda gerichtet, der immer wieder einen „Dialog mit der FIS“ gefordert hatte.

Es sei an den Europaparlamentariern, „die Troika vergessen zu machen“, titelte gestern die regierungsnahe Tageszeitung L'Authentique, während Außenminister Attaf seine übliche Empfangsrede vorbereitete. Er wird der EP-Delegationen die gleichen Forderungen unterbreiten wie bereits der Troika. Statt eines „internationalen Untersuchungsausschusses“ zum genauen Ablauf der Massaker verlangt er von der EU einen internationalen Untersuchungsausschuß über die Strukturen der algerischen Islamisten auf der Nordseite des Mittelmeeres. Damit hat er ebenso Großbritannien im Auge, wo sich tatsächlich einige Unterstützer der radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), denen die meisten Massaker zugeschrieben werden, aufhalten, wie auch die Bundesrepublik Deutschland und Belgien, wo Mitglieder der eher gemäßigten Auslandsleitung der FIS politisches Asyl haben.

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