: Nazi-Skins in der Nibelungenhalle
Bei ihrem Wahlkongreß gibt sich die rechtsextreme NPD als Partei der „nationalen Jugend“. 4.000 Anhänger und Führer verbotener Organisationen. 3.000 demonstrierten gegen „Tag des nationalen Widerstands“ ■ Aus Passau Bernd Siegler
„Rechtsextremisten unerwünscht! Die Bürger der Stadt Passau.“ Diese Plakate hängen an allen Ausfallstraßen der Dreiflüssestadt, ein großes Transparent gleichen Inhalts prangt weithin sichtbar über der Nibelungenhalle. Während sich vor der Halle GegendemonstrantInnen Scharmützel mit den Sondereinsatzkommandos der Polizei liefern, hält drinnen die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) ihren Bundeswahlkongreß ab. Rund 4.000 Sympathisanten, zumeist Skinheads, sind zu diesem „Tag des nationalen Widerstands“ (so nennt NPD-Chef Udo Voigt den Parteitag) zusammengekommen. Die Polizei nahm 73 Personen fest, davon 33 aus dem rechten Spektrum.
In letzter Minute hatte Passaus SPD-Oberbürgermeister Willi Schmöller mit einem allgemeinen Versammlungsverbot versucht, die NPD-Veranstaltung und Gegenkundgebungen zu verhindern. Doch Verwaltungsgerichte in Regensburg und München votierten für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Sie sahen die Polizei durchaus in der Lage, mit der Situation fertig zu werden. Die von der „Passauer Aktion Zivilcourage“ (PAZ) angekündigte Blockade der Hallenzugänge war als nicht angemeldete Aktion sowieso nicht vom Versammlungsverbot betroffen. Rund 2.000 Passauer beteiligten sich per Unterschrift an der Aktion.
Durch die vorzeitige Öffnung der Halle um acht Uhr ermöglichte es jedoch die Stadt Passau der NPD, die geplante Blockierung der Eingänge zeitlich zu umgehen. Als etliche hundert NPD-GegnerInnen mit ihrer Aktion begannen, war die Nibelungenhalle bereits zur Hälfte gefüllt. Die Passauer Rechtsanwältin Eleonore Stern, Initiatorin der PAZ, bezeichnete daher das von der Stadt organisierte Aufhängen der Transparente gegen die NPD als „unglaubwürdig“. „Solange die Polizei in Zusammenspiel mit Stadt und NPD mit allen Mitteln den Zugang ermöglicht, ist eine Verhinderung derartiger Veranstaltungen nicht zu erreichen“, resümierte Stern. Die NPD hat sie inzwischen wegen Aufrufes zu Straftaten und Bildung einer kriminellen Vereinigung angezeigt.
Trotz des massiven Polizeiaufgebots in der Stadt kamen etliche Busse mit NPD-Sympathisanten nicht bis zur Halle durch. Mehrere Fahrzeuge wurden von Gegendemonstranten schwer beschädigt. Insgesamt hatten sich etwa 3.000 NPD-Gegner in Passau versammelt. Ihre Abschlußkundgebung direkt neben der Nibelungenhalle wurde durch einen „hemmungslosen Knüppeleinsatz der Polizei“ (so die Veranstalter) vorzeitig beendet. Daß überhaupt so viele Gegendemonstranten nach Passau gekommen waren, werteten sie als „vollen Erfolg“.
Auch die NPD war zufrieden über den Verlauf ihres Wahlkongresses, vor allem weil im rauchgeschwängerten Saal zu 80 Prozent junge Skins und Neonazis saßen. „Wir haben die nationale Jugend hinter uns“, tönte Parteichef Voigt und machte den „Führungsanspruch der NPD im nationalen Lager“ geltend. Daß mit dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger und dem Österreicher Herbert Schweiger zwei führende Köpfe der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ in Passau als Redner auftraten, hat für Voigt „Symbolcharakter“. Die NPD sei in der Lage, „das gesamte Spektrum anzusprechen“.
Unter den Besuchern des Wahlkongresses tummelten sich mit Friedhelm Busse, Christian Worch, Michael Swierczek, Wolfram Narath und Torsten de Vries die ehemalige Führer der inzwischen verbotenen Gruppierungen „Freiheitliche Arbeiterpartei Deutschlands“, „Nationale Liste“, „Nationaler Block“, „Wiking Jugend“ und „Deutscher Kameradschaftsbund“. Daß die NPD als Auffangbecken für Mitglieder verbotener Organisationen fungiere, wies Voigt „auf das schärfste“ zurück. Im gleichen Atemzug brüstete er sich jedoch damit, daß es seine erste Aktion als Parteivorsitzender gewesen sei, „alle Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu kassieren“. „Wir wollen heute nicht fragen, was einer gestern war“, kommentierte er den Zulauf von Nazi- Skins und Mitgliedern verbotener Gruppen. Die Parteispitze hatte allen Veranstaltungsbesuchern ein „absolutes Auskunftsverbot“ gegenüber den Medien auferlegt. Um in die Halle zu gelangen, forderte man von der Presse eine „Hetzgebühr“ in Höhe von 250 Mark, TV-Teams sollten gar 500 Mark bezahlen. Trotz markiger Worte war man jedoch nicht in der Lage, einen Seiteneingang zur Nibelungenhalle zu kontrollieren, der direkt auf die Empore führte. Unten im Saal gab Voigt dann die Losung aus, „mit der Verbindung von sozialer und nationaler Frage die deutschen Arbeiter“ für die NPD zu begeistern. Am 1. Mai will man dies in Leipzig vor dem Völkerschlachtdenkmal unter dem Motto „Wir schaffen Arbeit – Bonn schafft nichts“ versuchen. „Wir werden 20.000 sein“, kündigte Voigt vollmundig an.
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