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Tod aus der Schnapsflasche

■ Immer mehr Menschen fallen in Serbien einem mit Methylalkohol versetzten Fusel zum Opfer. Gegen den Hersteller läuft ein Verfahren

Belgrad (taz) – Serbische Alkoholliebhaber rennen dieser Tage nach durchzechter Nacht von Todesangst gepackt gleich ins nächste Krankenhaus. Die größte Massenvergiftung seit Jahrzehnten erschüttert das Land. Mindestens 15 Menschen brachte ein Mordsschnaps um, mehrere Dutzend mußten wegen lebensgefährlicher Vergiftung durch Methylalkohol in Krankenhäuser eingeliefert werden. Die tatsächliche Anzahl der Opfer ist unbekannt. Täglich melden sich neue Erkrankte, nachträglich werden Obduktionen bei verdächtigen Todesfällen durchgeführt. Etwa 7.000 Liter des „Killer- schnapses“, so die Schätzungen, sollen in Serbien herumgeistern.

Erst nachdem zehn Menschen gestorben waren, wurden Behörden und Medien in der vergangenen Woche hellhörig. Es stellte sich heraus, das alle Opfer den im Unternehmen „Zivadinovic“ in Nis gebrandten Grappa getrunken hatten. Das Unternehmen soll von der Autoindustrie „Zastava“ statt Ethyl-, Methylalkohol gekauft haben, das für die Entfernung von Rost verwendet wird. Der Inhaber der Firma wurde verhaftet, der Staatsanwalt hat bisher Anklage gegen zehn Mittäter erhoben. „Ein Gläschen verursacht schon schwere Magenvergiftung, zwei machen blind, und das dritte ist tödlich“, erklärt der Belgrader Arzt Branko Pavlović.

Was den Alkoholkonsum betrifft, liegt Serbien europaweit an der Spitze, doch eine staatliche Kontrolle der Schnapsproduktion ist kaum vorhanden. Jeder Bauernhof stellt seinen eigenen Schnaps her, auf dem Markt werden täglich über 10.000 Flaschen ungeprüften Alkohols angeboten. Über 20 Prozent aller Getränke in Serbien werden illegal destilliert.

Doch ein guter Schnaps hat auch einen entsprechenden Preis. Die wirtschaftliche Misere hat auch das Konsumverhalten der früher verwöhnten Trinker verändert. „Drei Sack Zucker, fünf Kilo Hefe, etwas künstliche Aroma und – Prost“, erklärt ein illegaler Schnapserzeuger sein Rezept. So ein Schnaps habe zwar keinen besonderen Geschmack, sei aber billig. „Vor allem tötet er niemanden“, meint der Mann und: „Nach drei Gläschen wird der Geschmack ohnehin belanglos.“ Die Region um Subotica an der ungarischen Grenze ist wegen illegaler Schnapsproduktion berühmt. Allein 1997 schloß die Polizei 40 illegale Schnapsbetriebe. Fünf Druckereien in Subotica lieferten gefälschte Etiketten populärer Getränke. Doch serbischer Schnaps bleibt nicht in der Heimat. Er werde bis nach Schweden geschmuggelt, sagt einer der größten illegalen Schnapsproduzenten, der nicht genannt werden will, denn: „Dort ist Alkohol besonders teuer.“ Andrej Ivanji

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