Polizei bei Scientology

■ Durchsuchungen in fünf Gebäuden richten sich gegen Mitglieder, nicht gegen die Sekte

München (taz) – Mit einem Aufgebot von 130 Polizeibeamten und vier Staatsanwälten hat die Münchner Justiz gestern fünf Gebäude der Scientology-Sekte durchsucht und sogenannte „Auditing-Protokolle“ beschlagnahmt. Diese Aufzeichnungen von sekteninternen Verhören sollen als Beweismittel in drei verschiedenen Ermittlungsverfahren dienen.

Im ersten Fall wird einem 42jährigen Deutschen Brandstiftung in drei Fällen mit erheblichem Sachschaden vorgeworfen. Der Mann bestreitet, die Feuer gelegt zu haben, und verweist darauf, daß seine langjährige Lebensgefährtin Anhängerin von Scientology sei. Nicht er, sondern Mitglieder der Sekte hätten die Brandstiftungen begangen. Das zweite Verfahren richtet sich gegen ein Sektenmitglied, das Flugblätter vor dem Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren verteilt hat. Auf den Pamphleten wurde Ärzten des Krankenhauses „psychiatrische Tötung“ unterstellt – bei Scientologen ein beliebter Vorwurf gegen die Schulmedizin, der nach dem Strafgesetzbuch als Verleumdung gilt. Im dritten Ermittlungsverfahren steht der Tod eines Sektenmitglieds im Mittelpunkt der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen: Ein 1997 verstorbener Geschäftsmann, langjähriger Scientology-Anhänger, war nach dem Stand der Ermittlungen von Scientology-Verantwortlichen aufgefordert worden, wegen einer Erkrankung größere Mengen von Tabletten zu schlucken, die er von einem Handelskontor in den Niederlanden bestellen sollte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt hier wegen eines vermuteten Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz. Der Münchener Oberstaatsanwalt Helmut Meier-Staude, der sich mit seinen Kollegen durch „die eigentümliche Diktion der Auditing-Protokolle“ quälen muß, zeigte sich überrascht von der Kooperationsbereitschaft der Sekte. Die Organisation sei selbst an der Aufklärung der Vorwürfe interessiert. Die Beamten mußten keine Computer auseinanderschrauben, weil die Scientologen die Unterlagen freiwillig ausgeliefert haben. Der Einsatz von 130 Beamten sei deshalb gerechtfertigt gewesen, weil man nicht mit der Hilfsbereitschaft der Sektenmitarbeiter habe rechnen können.

Angesichts eines Einsatzes in fünf Gebäuden sei die Zahl der mobilisierten Polizisten ohnehin nicht hoch. Im wesentlichen, so Meier-Staude, seien alle gesuchten Papiere gefunden worden. Beschuldigt wird nicht die Scientology-Sekte selbst, denn die Verfahren richten sich nur gegen einzelne Mitglieder. Trotzdem könne man die Frage nach einer Tatanstiftung durch die Organisation noch nicht abschließend beantworten. Stefan Kuzmany