: Die SPD will grün werden
Mehr Öko: Linke verfassen zwei Papiere zur Erneuerung der Partei ■ Aus Bonn M. Franz
Drei Wochen vor der Niedersachsen-Wahl haben sich die Parteilinken der SPD selbst ins Rampenlicht befördert. Verantwortlich dafür ist weniger das von den linken Sozialdemokraten verbreitete Strategiepapier als ein internes Konzept, das gegen ihren Willen an die Öffentlichkeit geriet. Zusammen mit einem Anschreiben erweckt es den Eindruck, daß die Autoren im Einvernehmen mit SPD-Parteichef Oskar Lafontaine die SPD im Wahlkampf als eine „moderne Partei der Linken“ darstellen wollen.
Das vertrauliche Konzept erklärt detailreich, wie „die politischen und öffentlichen Rahmenbedingungen für eine sozialdemokratische Reformalternative“ aussehen sollen. Die Autoren mit dem umweltpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Michael Müller, an der Spitze verlangen eine stärkere ökologische Ausrichtung der SPD und eine offensivere Auseinandersetzung mit den Bündnisgrünen. Es dürfe keine rot-grüne Arbeitsteilung geben, bei der die SPD für Soziales und Wirtschaft und die Grünen für Umwelt und Zukunft zuständig seien — zumal die SPD „in der Umweltpolitik konzeptionell deutlich weiter als die Grünen“ sei.
Die Öko-Partei habe mit ihrem neuen Wahlprogramm und dem neuen Logo das Umweltthema relativiert. Dies müsse die SPD nutzen und die ökologische Modernisierung als soziale Aufgabe und Verpflichtung ansehen. Die Defensive beim Umweltthema sei problematisch, weil Ökologie ein Zukunftsthema sei.
Das vertrauliche vierseitige Papier sieht vor, „einzelne Journalisten“ besser zu informieren und Netzwerke mit wichtigen Repräsentanten in Sport, Kultur und Unternehmen zu schaffen. Müller berichtet auch über erste Erfolge solcher Netzwerkstrategien. „Nur aus taktischen Gründen konnte verhindert werden, daß zuletzt nicht Gerhard Schröder oder Wolfgang Clement vom Naturschutzbund als ,Dinosaurier‘ ausgezeichnet wurde (so wurde es Theo Waigel).“ Die Partei habe an Ansehen in der Ökologiedebatte verloren.
Das offizielle Strategiepapier der Autoren, das sie seit gestern verbreiten, spart die Auseinandersetzung mit den Grünen aus. Es fehlt die explizite Aufforderung zu einer linken Politik, auch wenn der Ton der gleiche ist. „Politik heißt gestalten, vor allem nach sozialen und ökologischen Zielen.“
Nur mit einer „überzeugenden Megabotschaft“ könne die SPD die Wahl gewinnen. Der Vorschlag der Autoren: „Wir stehen am Beginn einer neuen globalen Epoche, die Leben und Wirtschaften radikal verändern werden. Sie eröffnet neue große Möglichkeiten für eine gerechte und friedliche Weltordnung. Deshalb sind international Vereinbarungen und national/europäisch ein neuer Gesellschaftsvertrag notwendig.“ Forderungen, die den Vorstellungen Lafontaines entsprechen, Steuern und Abgaben international zu harmonisieren. Konkurrent Schröder hält internationale Abmachungen für wünschenswert, aber unrealistisch.
Müller und Kollegen halten die bisherige SPD-Wahlkampfstrategie für falsch. Sie sei zu sehr auf die „Demonstration von Machtwillen“ ausgelegt. Programmatische Identität und politische Glaubwürdigkeit müßten in den Vordergrund gerückt werden. Damit stellen sie sich auch gegen SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, der Organisation und Strategie für wahlentscheidend hält.
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