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„Ein ganz Rechter“

■ Lübecker Kirchenbrandprozeß: Polizist sagt aus. Eltern verweigern Aussage

Er soll „ein ganz Rechter“gewesen sein. Das, so erklärte gestern ein Kriminalbeamter vor dem Lübecker Landgericht, habe zumindest ein Freund des Angeklagten erzählt. Vor der Jugendstrafkammer des Gerichts muß sich ein 20jähriger Gärtnerlehrling wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten.

Er soll am 25. Mai 1997 die katholische St. Vicelinkirche in Lübeck in Brand gesteckt und mit ausländerfeindlichen Parolen beschmiert haben. Der Angeklagte hatte die Brandstiftung nach seiner Festnahme im Juni 1997 zunächst gestanden, das Geständnis jedoch tags darauf widerrufen. Seine Verteidigung betonte gestern erneut, das Geständis dürfe vor Gericht nicht verwendet werden. Nach zweitägiger Befragung durch die Polizei sei der junge Mann nicht mehr vernehmungsfähig gewesen.

In der Brandnacht habe der Angeklagte zusammen mit seinen Freunden auch ein Lied mit rechtsgerichtetem Text gesungen, zitierte der Kriminalbeamte weiter aus der Aussage, die der Freund am Tag nach dem Brand bei der Polizei gemacht hatte. Der 18 Jahre alte Freund des Angeklagten selbst verweigerte vor Gericht die Aussage. Gegen ihn läuft ein gesondertes Verfahren, weil er gemeinsam mit dem Angeklagten und drei anderen Jugendlichen in der Brandnacht Sachbeschädigungen und Einbrüche begangen haben soll.

Der Polizeibeamte, der den 18jährigen am Tag nach dem Brand vernommen hatte, erklärte, der Jugendliche habe beteuert, die ganze Gruppe habe mit der Brandstiftung nichts zu tun. Sie seien auf ihrem nächtlichen Streifzug durch den Brandgeruch auf das Feuer aufmerksam geworden und hätten bei den Löscharbeiten zugeschaut.

Zu Beginn des dritten Verhandlungstages hatten die Eltern und der jüngere Bruder des Angeklagten die Aussage verweigert. Der Bruder soll an dem Anschlag auf die Kirche beteiligt gewesen sein. Gemeinsam mit einem weiteren Mittäter soll er Hakenkreuze und den Namen des Lübecker Pastors Günter Harig auf die Kirchenwand gesprüht haben. Harigs Gemeinde gewährt einer algerischen Flüchtlingsfamilie Kirchenasyl. lno

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