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Kultivierter Schmuseakt mit Kalkül

■ Künstliche Kluften künstlerisch überwinden: Die Brit-Soundtüftler Propellerheads in Hamburg

Eigentlich haben Propellerheads mit stimmlicher Inbrunst nichts am Hut. Bei dem erfolgreichen Big Beat Duo aus dem englischen Bath konzentriert sich alles auf die elektronische Tüftelei. Längst ist sie entdeckt worden, die Magie hinter den Knöpfen. Mehr noch: Sie hat sich etabliert als lieblicher Lieferant der großen Gefühle in Pop & Leben. Und seit der Beat seinen Weg vom Rave zum Rock durch Bands wie Chemical Brothers oder eben Propellerheads gefunden hat, verpuffen selbst die alten, ängstlichen Mucker-Schmährufe von der Elektronik als bloßer Dienstleistung im Nichts. Man ist sich einig, die Sache mit der Echtheit in der Musik ist nicht länger eine Frage der Instrumentierung, sondern eine der offenen Gesinnung.

So war es auch nicht wirklich erstaunlich, sondern eher eine Frage von Souveränität, als Propellerheads ausgerechnet Shirley Bassey baten, die Gesangslinien zu History Repeating einzusingen. Nicht irgendein Soul-Mädchen, wie sie gerade in England zu Tausenden durch die Studios huschen, sollte die Brücke zwischen androgyner Clubkultur und eben jener eingangs erwähnten stimmlichen Inbrunst schlagen. Da mußte schon der Inbegriff für Las Vegas-Luxus und Glitzer-Unterhaltung seinen Beitrag leisten. Es galt, künstliche Kluft künstlerisch zu überwinden und Analogien zu stiften.

Propellerheads verfolgen diesen kultivierten Schmuseakt seit Anbeginn ihrer eigenen Geschichte mit Kalkül. Schlagzeuger und Tüftler Will White ist ein Kind der britischen Clubszene, und der neun Jahre ältere Alex Gifford hat immerhin schon mit The Stranglers und Van Morrison zusammengearbeitet. Das Duo weiß also, was es tut. Es geht um Lifestyle aus Versatzstücken der eigenen Geschichte, um Ausdruck ohne Allüren und um den bewußten Umgang mit dem Historienhaushalt von Popkultur im weiteren Sinne.

Der Rückgriff liegt also näher als die musikalische Prophezeiung. Vor zwei Jahren ließen Propellerheads ihre Single Dive! als Hymne für eine Sportmarke vermarkten und nahmen Teil am Turnschuh-Retro. Defiziler war da schon ihre Zusammenarbeit mit dem James Bond-Komponisten David Arnold, der ihnen für die Compilation Shaken And Stirred einige seiner Arrangements zur Wiederverwertung überließ. Und wahrlich: Die Versionen und Zitate zu On Her Majesty's Secret Service stehen dem Dancefloor ebenso wie der Nostalgie zu Diensten. Und da der Meisterspion sowieso everybodys darling ist, ließ eine allgemeine Anerkennung auch nicht lange auf sich warten. Propellerheads sind guter Konsens und ihr Album Decksanddrumsandrockandroll feinste Nachtunterhaltung. Und genau dort sind sie Shirley Basseys Beträgen in Sachen Glamour und Stil sehr ähnlich. Oliver Rohlf

heute, 21.30 Uhr, Mojo Club, Reeperbahn

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